Burgkunstadt - Wenn die Mehrzahl des Publikums der Generation 50plus angehört und Schiller-Balladen auf dem Programm stehen, dann sind gewisse Verhaltensmuster vorhersehbar: Wissendes Lächeln blitzt hin und wieder über die Gesichter, man sieht sich grinsend an, erinnert sich an all die Stunden, die man dazu brauchte, um "Die Kraniche des Ibykus" oder "Die Bürgschaft" auswendig zu lernen. Der Deutschlehrer war gnadenlos, die Eltern ob der Klagen verständnislos - waren doch sie selbst und Generationen vor ihnen angeblich unbeschadet durch diese "Hölle" gegangen. Die ganze Pracht und Macht der Schiller'schen Verse erschließt sich jedoch erst richtig (und vielleicht zum ersten Mal), wenn sie aus berufenem - sprich: Schauspielers - Mund kommt. Kein Vergleich also mit unseren stockenden Rezitationsversuchen, mit dem atemlosen Hangeln von Zeile zu Zeile.

Bereits seit zehn Jahren steht am Deutschen Nationaltheater Weimar "Rhythm & Schiller" auf dem Spielplan, und am vergangenen Sonntag gastierten die Thüringer mit ihrem Dauerbrenner-Erfolgsprogramm bei den Kultursonntagen in der Alten Vogtei in Burgkunstadt. Bevor es losging mussten aber zunächst zahlreiche Extra-Stühle herbeigeschleppt werden, so groß war der Andrang zu dem ungewöhnlichen Balladenabend. Neben dem Rezitator (und Initiator und Regisseur) Bernd Lange beteiligten sich Anna Bellmann (Violine) und Ingo Wernsdorf (Marimba/Vibraphon) an der Erkundung des Schillerschen Lyrik-Kosmos'.

Anfangs schien die Kombination von Text und Musik (u.a. von Florian Poser, Paul Smadbeck, Alice Gómez, Anna Bellmann und Ingo Wernsdorf) spröde und sperrig, doch zusehends erschloss sich Ohr, Hirn und Herz der Zusammenhang. Der Inhalt der Texte wird - durchaus eigenwillig - in Musik transponiert. Mal karikieren die hervorragende Violinistin Anna Bellmann und der nicht minder virtuose Percussionist Ingo Wernsdorf die literarische Vorlage, mal wird sie wie von einer Art Filmmusik untermalt. Es ist ein beredter und beseelter Dialog, der da zwischen Musik und Text stattfindet.

Makellose Diktion

Einen perfekten Rezitator finden Schillers Balladen in Bernd Lange, der neben selbstverständlich makelloser Diktion durch seine schauspielerische Interpretation begeistert. Im "Handschuh" weiß er die Reime mit ironischer Distanz zu betonen, in den "Kranichen des Ibykus" treibt er die Spannung voran, in der "Elegie auf den Tod eines Jünglings" wird gegen die göttliche Vorsehung aufbegehrt: "Gott der Grüfte, wir verehren Dich mit Grau'n".

Über all dem wacht Schillers Maske, die ziemlich respektlos und prosaisch an einem Fleischerhaken aufgehängt ist. Bei der Zugabe dann, die das begeistert applaudierende Publikum heftig einfordert, wird der große Klassiker vom Haken gelassen. Zwiesprache Friedrich Schiller und Zeus, denn bei der "Teilung der Erde" wurden die Poeten völlig vernachlässigt. "Was tun? , sprach Zeus" und gab dem Dichter einen Platz im Olymp. Na bitte, geht doch!