Vielleicht waren die Erwartungen einfach zu hoch. Als vor einiger Zeit bekannt wurde, Rudi Sopper, seines Zeichens Buchhändler, Autor und Kulturpreisträger der Stadt Bamberg, und Gerhard C. Krischker, Verlagslektor, brillanter Mundartpoet und E.T.A-Hoffmann-Preisträger, hätten sich zusammengetan, um gemeinsam ein Stück über die 68er-Zeit zu schreiben, harrte man gespannt der Dinge, die da im E.T.A.-Hoffmann-Theater auf die Bühne kommen würden. Denn Sopper und Krischker haben, über ihr kulturelles Wirken hinaus, in den letzten Jahren oft genug auch in das politische Leben der Domstadt eingegriffen und dabei nicht selten Dinge erreicht, deren sich heute, Weltkulturerbe-trunken, alle ohn Unterschied rühmen. Auch die, deren Parteigänger in den vergangenen Jahrzehnten die Stadt am liebsten mit vierspurigen Autoschneisen durchpflügt hätten.

Im Vorfeld dann erste Irritationen: Gerhard C. Krischker, Jahrgang 1948, im Gegensatz zu Sopper (Jahrgang 1952), ein „richtiger 68er“, ließ vermelden, ihm sei eine Einkaufstasche geklaut worden, die neben Gemüse und einer Flasche Wein auch sein Tagebuch aus der damaligen Zeit enthalten habe, auf das die Autoren während des Schreibprozesses hatten zurückgreifen wollen. Dann ein Hin und Her in Bezug auf das Ausmaß der Umarbeitungen, die Regisseur Gerhard Fehn, wie Krischker Jahrgang 1948, zusammen mit den Schauspielern an der Textvorlage vorgenommen hatte und die Fehn damit begründete, dass dieselbe – im Gegensatz zu den 68ern – zu unpolitisch gewesen sei. Es schien, als stapelten alle plötzlich tief – warum, das ist seit der Uraufführung allerdings klar.

„Damals war der Teufel los“, so der Stücktitel – in den Augen der „anständigen“ Bamberger Bürgerinnen und Bürger sicherlich gleich in mehrfacher Hinsicht. Kommunarde Fritz Teufel, der zusammen mit dem Bamberger Dieter Kunzelmann tatsächlich mal in der hiesigen Provinz weilte, hat, mit langem Haar und Bart, auf die Einheimischen wohl gewirkt wie der Leibhaftige. Und so viel Leben und Umtriebigkeit auf den Straßen sind die Domstädter sonst auch nur bei der alljährlichen „Sandkerwa“ gewohnt. Auch im Stück tritt Teufel kurz auf – einer der gelungeneren Momente: er kommt, sieht und sprayt. Spricht kein Wort, sondern zeigt den Landeiern der Bamberger WG mit der Sprühdose, wo der Bartel den Most holt.

Die WG – Keimzelle eines neuen Lebensgefühls, Hauptspielort des Stücks. Ort, an dem diskutiert, kopuliert und die Agitation vorbereitet wird – alles erleichtert durch Drogen- beziehungsweise Bierkonsum, je nach gesellschaftlicher Stellung. Denn die Unterschiede der Herkunft, sie verschwinden auch nicht mit neuem politischen Bewusstsein. Hier der „Boschler“ Andi (Jürgen Brunner), Gewerkschafter und SPDler, der Tag für Tag Zündkerzen zusammenpopelt, dort der Student Elmar (Felix Preißler), der, von den Zwängen zur Erwerbsarbeit dank väterlicher Apanage befreit, Zeit für Lektüre und Agitation findet. Dazwischen: die Schauspielerin Rosika (hervorragend: Christin Wehner). Eifersucht und patriarchalische Attitüde, so lernen wir, dagegen ist auch mit neuem politischen Bewusstsein kein Kraut gewachsen.

Woran aber liegt es, dass diese Bühnen-WG zum einen Torso bleibt, zum anderen geradezu wie ein selbstreferentielles U-Boot wirkt, an dem die Außenwelt vorbeirauscht wie die Filmeinblendungen von Geschehnissen aus der übrigen Republik an der Bühnenrückwand? Nie wird deutlich, was an dieser adoleszenten Wohn- und Lebensform so provozierend wirkte, was die Lokalen so bis aufs Blut gereizt hat. Denn die Gewalt gehörte zu 68 – aber, und das wird leider in der begleitenden Ausstellung deutlicher als im Stück selbst, sie war Sache der Wohlanständigen. Diese forderten Arbeitslager und Schlimmeres für die „Zottelbären und Sauerkrautbärte“, diese stürmten und verwüsteten in Bamberg einen APO-Treff ohne Rücksicht auf anwesende hochschwangere Frauen und sonstige Verluste. Ein Linker wurde dabei mit dem Hammer traktiert. Die anwesende Polizeistreife sah grinsend zu.

Das Stück will alles zeigen – und damit eindeutig zu viel. Sprachlich herrscht weitgehend mit Kalauern angereichertes Allerweltsgerede, garniert mit von Weltwichtigkeit durchdrungenem adoleszenten Gelaber und Politgeschwurbel. Ein neues, befreites und hedonistisches Lebensgefühl haben wir bei Franz Xaver Bogner schon um vieles besser dargestellt gesehen, die viel beschworene Politisierung bleibt im Stück in unspezifischen Klischees stecken und die drückende Enge der Bürgerlichkeit rundum wird durch die Karikatur zum Beispiel des Vermieterehepaars eher verharmlost. Bleibt die Musik. Die überdauert wirklich, denn sie ist ohne Fehl und Tadel. Ob vom Band oder von den Schauspielern live gespielt. Ansonsten das, was alle vermeiden wollten: eine eher dröge Variante von Opis Märchenstunde, in der halt nicht mehr vom „Kriech“, sondern vom Straßenkampf salbadert wird. Während der Erzähler im Ohrensessel, oder heute wahrscheinlich eher auf dem Heimtrainer, von Zeiten träumt, als man in der Untergrundkneipe noch behaglich eine Selbstgedrehte oder eine Filterlose mit schwarzem Tabak schmauchen konnte.

Weitere Termine: 29., 30. März, 2., 3., 4., 5., 6., 9., 10., 11., 12., 13. April.