Bamberg - In der Türkei drohen kritischen Journalisten Verfolgung und Haft. Präsident Erdogan spiele seine Macht aus, meinen Kritiker. Auch gegenüber Deutschland übe er Druck aus. Dabei versuchen in der Bundesrepublik auch andere, die Pressefreiheit infrage zu stellen.

Journalisten stehen in der Türkei besonders unter Druck. Präsident Erdogan hat nach Ansicht von Kritikern eine genaue Vorstellung davon, wie die Presse arbeiten soll: ohne Widerspruch. In diesem Punkt ähnelten türkische Medienkontrolleure auch deutschen Rechtspopulisten, meint zumindest einer, der es mit beiden zu tun hatte: Hasnain Kazim.

"Man darf schreiben, was man möchte - aber nicht uns gegenüber kritisch sein", zeichnet der Spiegel -Journalist jenes Denkmuster nach. "Damit ist natürlich ein grundlegender Schritt in Richtung Unfreiheit getan." Der 41-Jährige war Korrespondent in der Türkei und gilt als scharfer Kritiker von Recep Tayyip Erdogan.

Im März musste Kazim gehen. Er erlebte die Medienkontrolle in der Türkei, wo kritischen Autoren Verfolgung und Haft drohen. Er erlebt aber auch fremdenfeindliche Beleidigungen in Deutschland, wo aus dem rechtsgerichteten Lager gerne einmal "Lügenpresse"-Vorwürfe laut werden. Der Journalist ist in Oldenburg geboren, als Sohn indisch-pakistanischer Eltern.

Die Anhänger der türkischen Regierungspartei AKP und der deutschen AfD sieht Kazim als "Brüder im Geiste" an. Dabei gibt es aber einen Unterschied: Die Gefahr für Journalisten in der Türkei ist eine ganz andere als in Deutschland. Wer die türkische Regierung kritisiert, muss fürchten, verfolgt und inhaftiert zu werden.

Kazims Presse-Zulassung haben die türkischen Behörden nicht verlängert, so fehlte ihm die Aufenthaltserlaubnis. Druck habe er schon zuvor bekommen, von AKP-nahen Türken, vor allem aus Deutschland, erzählt Kazim, der auf der Jahrestagung des Schriftstellerverbands PEN am Donnerstag in Bamberg über Meinungsfreiheit in der Türkei sprechen wird.

In der Türkei verfolgte Journalisten, aber auch "Lügenpresse"-Rufer bekommen derzeit viel Aufmerksamkeit. "Dafür ist die Flüchtlingskrise ein Katalysator", sagt Sascha Feuchert. Er leitet beim PEN das "Writers in Prison"-Komitee, das verfolgte Autoren betreut. Aktuell seien in der Türkei rund 40 Autoren in Haft oder davon bedroht, weil sie wegen ihrer Arbeit vor Gericht stehen. "Das ist die größte Zahl weltweit."

Die Bundesrepublik bekam den Griff der türkischen Pressekontrolle zuletzt auch selbst zu spüren. "Sie versucht, Deutschland zu erreichen, und tut es leider auch, weil Deutschland es zulässt", sagt Kazim. In den vergangenen Wochen lösten ein satirisches Erdogan-Lied der NDR-Sendung "extra 3" und ein Erdogan-Beitrag von ZDF-Satiriker Jan Böhmermann politische Verwicklungen aus.

Kazim aber sieht auch in Deutschland selbst eine Gefahr: in jenen, die an eine "Lügenpresse" glauben. "Das sind die gleichen Leute wie die, die mich beschimpfen wegen meiner Hautfarbe und meines Namens."

Der "Lügenpresse"-Vorwurf allein belastet Journalisten, meint auch "Writers in Prison"-Leiter Feuchert. "Es wird ein Legitimationsdruck erzeugt, der in der Bundesrepublik die Meinungsfreiheit zumindest indirekt einschränkt."

Einer, der den Rechtfertigungsdruck spürt, ist Ulrich Wolf. "Wir müssen unsere Arbeit, sogar Demokratie dauernd erklären", sagt der Reporter der Sächsischen Zeitung. Dann gebe es noch einen besonderen Druck auf wenige Kollegen, sagt Wolf und meint auch sich selbst. Wer - wie er - in Kommentaren Position bezieht gegen Pegida, wird zum Ziel. Auf Pegida-Demos wurde er öffentlich beschimpft. Bedrohungen in Briefen und im Netz sollten Angst schüren, sagt er, betont aber: "Das gucke ich mir aus seelischem Eigenschutz nicht mehr an."

Kurz & knapp

Unter dem Titel "Befreit Gott von den Gläubigen!" diskutieren am 22. April der Strafrechtler und Bundesrichter Thomas Fischer, die Literaturkritikerin Sigrid Löffler, der Theologe und Soziologe Horst Herrmann und der Philosoph Christoph Türcke, wie die Vereinigung mitteilt. 150 Autoren, Übersetzer, Herausgeber und Literaturkritiker werden zur Tagung erwartet. Erstmals wird das PEN-Zentrum den mit 4000 Euro dotierten Kurt-Sigel-Preis für Lyrik verleihen. Der nach seinem Stifter, dem Frankfurter Schriftsteller Kurt Sigel, benannte Preis wird am 21. April dem Berliner Autor Daniel Falb überreicht. Seine Arbeiten ragten heraus, weil sie für die Qualität politisch und gesellschaftlich relevanter Poesie heute Maßstäbe setzten, begründete die Jury die Wahl.


Im Exil

Mithilfe des Stipendienprogramms "Writers in Exile" (Schriftsteller im Exil) finden dem PEN zufolge derzeit Schriftsteller aus China, Georgien, Kolumbien, Syrien, Vietnam und Kamerun Zuflucht in Deutschland. Die Vereinigung stellt möblierte Wohnungen in Berlin, München, Hamburg, Nürnberg und Darmstadt bereit, finanziert die Miete, Krankenversicherung und ein Stipendium. Die Zuflucht wird für ein Jahr gewährt und kann auf maximal drei Jahre verlängert werden. Die Mittel stammen aus dem Etat der Bundesstaatsministerin für Kultur.