Coburg - Dass zwischen den Begriffen "allein" und "einsam" ein himmelweiter Unterschied besteht, wird wohl niemand bestreiten. Einsam will niemand sein: nicht im Café zwischen lauter vergnügten Menschen, nicht in einer stillen Wohnung und schon gar nicht an Weihnachten. Muss auch gar nicht sein, sagt Eva Wlodarek.

Und die muss es wissen: Seit 1979 führt die promovierte Psychologin eine Praxis in Hamburg. Daneben ist Eva Wlodarek Autorin zahlreicher Ratgeber in Sachen Persönlichkeitsentfaltung, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Darüber hinaus arbeitete Eva Wlodarek von 1980 bis 2007 als Hauspsychologin für die Frauenzeitschrift Brigitte. Sie entwickelte psychologische Tests und arbeitete fürs Fernsehen; mit ihren Vorträgen bereist Eva Wlodarek den gesamten deutschsprachigen Raum.

In Coburg ist sie an diesem Montagabend nun schon zum dritten Mal. Auf Einladung des Hospizvereines in Kooperation mit der Buchhandlung Riemann rückt die Psychologin diesmal das Thema "Einsamkeit" in den Fokus. Und zwar nicht, wie angekündigt, in einer Lesung aus ihrem Buch mit dem gleichnamigen Titel (einer überarbeiteten Neuausgabe des Titels "Jetzt geh ich's an. Wege aus der Einsamkeit", erschienen 1999), sondern in einem anderthalbstündigen Vortrag.

Die Autorin gibt es gleich zu. "Das Thema gehört ja nun nicht zu den allerprickelndsten!", so Eva Wlodarek. Einsamkeit, das stehe im Themen-Ranking irgendwo zwischen Krankheit und Tod. Dennoch bewegt es die Menschen. Warum? "Es ist zutiefst menschlich, sich einsam zu fühlen. Jeder kennt es. Und oft erwischt es einen mehrfach im Leben", so die Psychologin. Laut Statistik sei jeder dritte Mensch einsam. Und: Niemand gibt es gerne zu.

Warum es so schwierig ist, sich als einsame Person zu outen, erklärt Eva Wlodarek so: "Wir empfinden es als persönlichen Makel." Der Mensch, laut Aristoteles ein zoon politikon , brauche als Gesellschaftswesen andere Menschen, um sich in ihnen zu spiegeln und um sich seiner Identität zu vergewissern. Ist das nicht der Fall, ist man einsam. "Und wenn wir einsam sind, dann kriegen das die anderen auch noch mit!", weiß Eva Wlodarek. Mitleid ist dann ihrer Ansicht nach noch die günstigste Reaktion, viel häufiger sei allerdings ein Fluchtimpuls zu verzeichnen.

Warum es einsame Menschen oft schwer haben, Anschluss zu finden? "Ein einsamer Mensch löst in uns Ängste aus, weil er uns an unsere eigene Verletzlichkeit erinnert", so die Expertin. Ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich bin einsam", welches die Autorin tatsächlich zu ihrem Vortrag hervorzaubert, wäre also eher ein Ladenhüter als Verkaufsschlager.

Einsamkeit verberge sich hinter vielen Masken. Jemand ist Workaholic? Oder er packt seinen Tagesablauf von früh bis spät voller Aktivitäten? 700 Facebookfreunde und dauernd online? Sexsüchtig? Helfersyndrom? Erkaufte Freunde? Ständig gelebte Extravaganzen? Oder gar der nörgelige Nachbar, der sich permanent über den Kinderwagen im Hausflur beschwert? "Lauter einsame Menschen", sagt Eva Wlodarek, die Papiermasken als Vortragsutensilien mit "Arbeit", "Action", "Social Media", "Helfen", "Kaufen", "Extravaganz" und "Jammern & Streiten" beschriftet hat.

Ob nun äußere Ursachen wie Umzug, der Tod eines geliebten Menschen oder auch Wendepunkte im Leben wie der Eintritt in die Berufswelt oder Pensionierung für die Einsamkeit verantwortlich sind (in ihrem Buch hat Eva Wlodarek für ganz bestimmte Fälle auch ein ganz bestimmtes Rezept) - im Grunde könne jeder diesen unangenehmen Zustand hinter sich lassen.

Eva Wlodarek schwört in diesem Fall auf die ACT-Methode nach Gary Emery: "So einfach wie genial!" Diese lautet: "Accept current reality" - akzeptiere, was ist; "Chose what you want" - wähle aus, was du möchtest; "Take action" - tu etwas. Wer nach dieser Methode handele, komme schon sehr weit. Auch im Alter. Und gerade da. "Ob man im Alter einsam ist oder nicht, hängt immer davon ab, wie aufgeschlossen man ist".

Neben all den äußeren Auslösern für Einsamkeit gebe es aber auch dieses: Einsamkeit als Grundgefühl. "Wenn man vielleicht schon als Kind verletzt worden ist", sagt Eva Wlodarek. Dann helfe nur, sich einer Vertrauensperson zu öffnen - und zur Not eben auch dem Psychotherapeuten. Im Laufe des Vortrags wird klar: Einsamkeit hat viele Gesichter. Wer andere klein macht, gehässig reagiert oder taktlos ist, ist vielleicht im Grunde nur einsam. Der Tip der Expertin: öfters mal die Reaktion der anderen Menschen konstatieren. Oder - für die ganz Mutigen - einfach mal nachfragen: Wie wirke ich auf dich?

Und am Ende verrät Eva Wlodarek noch ein Geheimnis. "Einsamkeit ist eine Illusion!" Denn: auf der Erde sind alle Lebewesen miteinander verbunden. Quantenphysikalisch nachweisbar, quasi.