Coburg - Ehrungen waren ihm ziemlich egal. So zerriss er die Urkunde, die er vom "Orden unserer Lieben Frau von Guadelupe" verliehen bekam, und verwendete sie kurzerhand als Pfeifenanzünder. Bei der Überreichung eines großen Pokals erklärte er, dass er kaum derartige Mengen Wein auf einmal trinken könne. Diese und zahlreiche andere Anekdoten über den Dichter, Orientalisten und Zeitkritiker Friedrich Rückert sind ab dem heutigen Samstag im Kunstverein zu erfahren. Die Stadt Schweinfurt, Geburtsort des in Coburg gestorbenen Sprachgenies, widmete Rückert im vergangenen Jahr anlässlich seines 150. Todestages die Jubiläumsausstellung "Der Weltpoet", welche, nach Erlangen als weiterer Lebensort Rückerts, nun auch in Coburg zu sehen sein wird.

Die Exposition erstreckt sich auf zwei Ebenen nach dem Prinzip "Oben" und "Unten", symbolhaft für das reale Leben des Dichters, Familienmensch und Wissenschaftlers, das sich in einem engen Rahmen abspielte ("Unten"), jedoch mit einem unendlichen geistigen Horizont ("Oben"). Im lichtdurchfluteten Eingangsbereich empfängt den Besucher eine lebensgroße Büste Rückerts von Carl Steinhäuser, die den Weg in die verschiedenen Räume, Sinnbild für die Lebensbereiche Rückerts, weist. "Wir haben die Ausstellung biografisch und chronologisch aufgebaut", erläutert der Kurator der Rückertbestände Schweinfurt, Dr. Rudolf Kreutner, "und eingeteilt in die sechs farbenfroh gestalteten Räume ,Aufwachsen.', ,Sich finden.', ,Erfolg haben!', ,Scheitern?', ,Weisewerden' und ,Nachwirken'". Und so geht es im ersten Abschnitt zwischen 1788 und1811 um Kindheit und Jugendzeit, Rückerts Schuljahren in dem Ort Oberlauringen, wo er seine Liebe zur Natur, Literatur und den Sprachen entdeckte. Von gebildeten Bauern ließ er sich in die Geheimnisse der Bücher einführen, lernte Latein und Griechisch beim Pfarrer und dichtete selbst sehr früh in der Sprache der alten Römer. "Nur Hebräisch wurde ihm noch gelehrt, ansonsten war Rückert Autodidakt, der 44 Sprachen beherrschte", erläutert Kreutner. Doch das Multitalent blieb bescheiden, lehnte Lehrtätigkeiten mit den Worten "wie soll ich lehren, habe ich doch selbst noch viel zu lernen", ab, bis er, durch Heirat und der Geburt von zehn Kindern notgedrungen doch zum finanziellen Einkommen der Familie beitragen musste. So folgten Lehrtätigkeiten in Erlangen und Berlin am Lehrstuhl für Orientalistik, wo er sich mit einem Schmähgedicht auf die Spree gleich äußerst unbeliebt machte und nicht mehr am Hofe von Friedrich Wilhelm IV. erscheinen durfte, der ihn berufen hatte.

Folgt man den Spuren der kleinen Teppiche, die mit Sprüchen Rückerts durch die Ausstellung leiten, trifft man auf lebensgroße Statuen berühmter Wegbegleiter wie Alexander von Humboldt oder Christian Friedrich Freiherr von Stockmar. Ein überdimensional erscheinendes Stehpult demonstriert eindrücklich die Größe des Zwei-Meter-Mannes, der dadurch als Kinderschreck galt und sich doch als liebevoller Familienvater verhielt, der seine Trauer um den frühen Tod seiner Sprösslinge Luise und Ernst in den bekannten "Kindertotenliedern" verarbeitete, die von Gustav Mahler vertont wurden. Viele, viele Originale der rund 25 000 von ihm verfassten Gedichte, Schriften und Übersetzungen (auch die berühmte des Korans) befinden sich in den Vitrinen, an den Wänden hängen Porträts der Familie Rückert und ihrer Freunde, stehen die Leitsätze des Poeten an den Wänden. Doch die exquisite Sammlung, von denen einige Stücke erst im Altersnachlass 1988 anlässlich Rückerts 200. Geburtstag öffentlich werden, lädt auch zum Mitmachen ein: Ein Tisch mit Würfeln informiert über die Sprachen, die das linguistische Talent beherrschte, verrät, wo diese gesprochen werden und von wie vielen Menschen. Ein Wörterbuch lädt zum Suchen bestimmter Vokabeln ein und ein Memoryspiel schickt auf Rückert-Entdecker-Tour. Doch "der Weltpoet" präsentiert sich nicht nur als Retrospektive, sondern beschäftigt sich auch mit Rückerts Nachwirken auf das Heute. Im Untergeschoss des Kunstvereins wird die Coburger Zeit des Dichters gezeigt, sein Leben in Neuses, "man kommt hier an Rückert nicht vorbei", schmunzelt Oberbürgermeister Norbert Tessmer, "Haus, Park, Straße, Schule, so viel ist nach ihm benannt." Doch es sind nicht nur Orte, die ihn weiterleben lassen: So vertonte nicht nur Mahler zahlreiche seiner Gedichte, auch Robert und Clara Schumann nahmen sich Gedichte von ihm, wie dem "Liebesfrühling", an. Und ganz modern wird es dann mit Janosch, der Farbradierungen zu Liebesgedichten gestaltete und mit Walt Disney, dessen Donald Duck beschließt, Schlagersänger zu werden und dabei tatsächlich, sehr zum Ärger seiner drei Neffen Tick, Trick und Track Rückert-Vertonungen vor sich hinträllert.

-----

Kunstverein Coburg, Park 4a

14. Januar bis 17. April

Di bis Sa: 14-17 Uhr, So: 11-17 Uhr,

Do: Abendöffnung bis 20 Uhr: Am 19.1., 16.2., 13. 4. Öffentliche Führungen (max. 20 Personen), Sonntags, 14 Uhr: 22.1., 5.,2., 19.2., 5.3., 19.3., 2.4., 16.4.

Donnerstags, 18 Uhr: 19.1., 16.2., 13.4.

Das Rahmenprogramm

Orgelmusik zur Rückertzeit mit Dr. Florian Wilkes:

28.1.2017, 12 Uhr, Morizkirche;

"Liebesfrühling im Dachstübchen"

Führung zu Friedrich Rückerts Ehe und Familienleben:

29.1.2017, 11 Uhr, Coburger Puppenmuseum;

"Mein Übel schläft, ich aber schlafe nicht." Vortrag über Friedrich Rückerts letzte Lebensmonate von Dr. Rudolf Kreutner, Kurator "Der Weltpoet.":

31.1.2017, 19 Uhr, Vortragssaal Kunstverein Coburg;

"Liebesfrühling im Dachstübchen"

Führung zu Friedrich Rückerts Ehe und Familienleben:

9.2.2017, 10.30 Uhr, Coburger Puppenmuseum;

"Der Fall Rückert"

Krimi-Lesung mit Johannes Wilkes: 9.3.2017, 19 Uhr, Landesbibliothek Coburg, Andromedasaal;

Schriftliches von Friedrich Rückert, Schüler der Grundschule Neuses tragen Geschichten und

Gedichte Friedrich Rückerts vor:

16.3.2017, 19 Uhr, Vortragssaal Kunstverein Coburg;

Zeitreise - Friedrich Rückert aus neuen Perspektiven, mit der Lehrerband der RückertMittelschule

"Teachers of the Revolution" und Max Scheler:

6.4.2017, 19 Uhr, Vortragssaal Kunstverein Coburg;

"Liebesfrühling im Dachstübchen"

Führung zu Friedrich Rückerts Ehe und Familienleben:

9.4.2017, 14 Uhr, Coburger Puppenmuseum.