Frankfurt/Main (dpa) - Die Niederlande und das benachbarte Flandern sind bekanntlich topfeben - der Blick reicht oft fast über den Horizont hinweg. Die Illusion der unendlichen Weite erzeugen beide Länder auch als Ehrengast auf der Frankfurter Buchmesse.

Auf einer Länge von fast 100 Metern hat das Gastland eine Strandlandschaft mit Projektoren auf semitransparente Gaze-Vorhänge geworfen. Der Besucher kann verfolgen, wie die Wellen im ewig gleichen Rhythmus ans Ufer gespült werden. Netter Gag: Auf den Vorhängen zeichnen sich verschwommen im Meer zugleich die Bücher ab, die dahinter in Regalen postiert sind.

Eine Stunde lang dauert es im Pavillon, bis auf der Leinwand die Sonne am Horizont aufgeht und wieder versinkt. «Jeder kann hier im Messetrubel entspannen und ein Buch lesen», sagt Gert Kwekkeboom aus Amsterdam, der mit seinem Büro Cloud Collective den Pavillon entworfen hat.

Dafür haben die Architekten vor der (in Scheveningen) gefilmten Strandlandschaft eine Promenade gebaut - aus 66 000 Klinkersteinen. Dieser in Holland und Flandern beliebte Baustoff wurde mitgebracht, um damit provisorisch den Boden zu fliesen. Das Meeres-Ambiente soll zugleich auch das Verbindende zwischen beiden Ländern symbolisieren - und mit dem angrenzenden Nordsee-Anrainer Deutschland.

«Dit is wat we delen» («Dies ist was wir teilen») nennen Flamen und Niederländer, die eine gemeinsame Sprache verbindet, ihren Auftritt auf der weltgrößten Bücherschau. Mit Lesungen, Debatten, Virtual-Reality-Erfahrungen und dem Live-Entstehen einer Graphic-Novel-Zeitschrift wollen beide Länder zugleich im Pavillon ihre dynamisch-moderne Kultur unter Beweis stellen.

Jahrelang haben sie ihre gemeinsame Präsentation vorbereitet. Von der Buchmesse erhoffen sie sich vor allem für international noch wenig bekannte Autoren einen Durchbruch. Zumindest in Deutschland ist das Interesse am Ehrengast groß: Eine Rekordzahl von 467 Neuerscheinungen kommt aus dem Niederländischen auf den deutschsprachigen Buchmarkt. Fast ein Drittel davon sind Kinder- und Jugendbücher.

99 Autoren aus Flandern und den Niederlanden reisen in den kommenden Tagen nach Frankfurt. Am Dienstag setzte sich ein Sonderwagen der niederländischen Bahn in Amsterdam in Bewegung und brachte Autoren und Verleger nach Frankfurt. Zur Reisegesellschaft gehörten unter anderem die Bestsellerautoren Leon de Winter, Jessica Durlacher, Connie Palmen und Tommy Wieringa. Zur Eröffnung der Messe am Dienstagabend hatten sich auch die Könige Philippe von Belgien und Willem-Alexander der Niederlande angesagt.

Schon vor 450 Jahren ist der Verleger und Drucker Christophe Plantin regelmäßig zur Frankfurter Buchmesse gereist, die im 16. Jahrhundert noch zwei Mal jährlich stattfand. Damals waren Flandern und die Niederlande noch geeint. Der Kaufmann Plantin hatte Niederlassungen in Antwerpen und dem (heute niederländischen) Leiden. Jetzt sind Flamen und Niederländer wieder gemeinsam zurückgekommen, freut sich Bart Moeyaert, künstlerischer Leiter des gemeinsamen Auftritts.

1993 waren beide schon mal Ehrengast auf der Buchmesse. Aus den Erfahrungen hat man bei der Kooperation viel gelernt, wie die Organisatoren sagen. Was gar nicht so selbstverständlich ist: Zwischen beiden Ländern gibt es ähnliche Vorurteile und Witze wie etwa zwischen Deutschland und Österreich.