Coburg - Aalen und Zwickau, Eisenach und Sonneberg, Coburg und Hildburghausen: All dies sind Reise-Stationen des Jean Paul, der doch eher als "Reise-Hypochonder" galt und zu Hause einfach nur "stuben-glücklich" sein wollte.

Der Germanist Dieter Richter hat es nun unternommen, uns den großen Romantiker anhand seiner zahlreichen Reisen näher zu bringen. Die erste Frage muss natürlich lauten: Warum war Jean Paul so viel unterwegs, wenn er das unstete Leben doch hasste?

Im Gegensatz zu seinem Zeitgenossen Goethe war Jean Paul weder der Landschaften noch der Sehenswürdigkeiten wegen auf Reisen. Auch die seinerzeit sehr modernen Bäderkuren ließen ihn nicht aufbrechen, ebenso wenig wie die Suche nach Erholung und Entspannung. Jean Paul reiste häufig aus geschäftlichen Gründen: Er präsentierte sich seiner Lesergemeinde, lechzte förmlich nach Anerkennung und Verehrung.

Jean Paul geht also häufig auf Lese-Reise, nicht zuletzt um die zahlreichen weiblichen Anhänger seiner Literatur zu beeindrucken. Und die ließen sich so manches Mal nicht zweimal bitten, dem Autor ein Rendezvous zu gewähren. Um 1800 spricht er gar von "brünstigen Leserinnen", die ihm unverhohlen Avancen machten.

In dem vorliegenden Buch gelingt es Dieter Richter anhand von Reiseberichten und -briefen, auch für den Jean Paul-ungeübten Leser das Leben des Wunsiedlers anschaulich zu machen. Zudem passt Dieter Richter Orthographie und Zeichensetzung unseren aktuellen Gepflogenheiten an, was - wie auch das Auflösen von Abkürzungen - das Lesen der Jean Paul´schen Dokumente sehr erleichtert.

Er liebte das Coburger Bier

Jung verheiratet zieht Jean Paul bekanntlich 1803 nach Coburg. Ein Jahr vorher war er bereits von Herzog Franz Friedrich Anton empfangen worden: Die Herzogin bezeichnet Jean Paul als seine "brünstigste Leserin", alles scheint ihm so gut, so schön, dass er beschließt: "So zieh' ich im April entschieden nach Coburg." Er ist zunächst nicht nur von der neuen Bleibe begeistert ("Eine schönere find´ ich doch 600 Meilen nicht"), sondern auch vom "herrlichen Coburger Bier". Doch dessen reichlicher Genuss bringt dem Dichter an Neujahr 1804 eine Ordnungsstrafe ein, weil er in der Öffentlichkeit ein "weniges Wasser abgeschlagen" hat. Bitter beschwert er sich über die Coburger "Piß-Steuer".

In dem schön gestalteten und mit zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen versehenen Band entsteht so aus dem Mosaik der Briefe an Freunde und Verwandte die Biographie des oberfränkischen Dichters, der auf seinen etwa 75 (belegten) Reisen viele tausend Kilometer zurücklegte. Die nördlichste Stadt, die er erreichte, war Berlin, die südlichste München.

"Aus Arbeitstrieb" (so seine Frau Caroline) versagt er sich ein Leben lang die Traumreise nach Italien und in die Schweiz. Doch auch dort hätte er zum Kennenlernen mehr das Herz als das Auge gebraucht. In ein Stammbuch schrieb Jean Paul: "Das Herz muss nach der Schweiz seine Erhebungen und nach Italien seine Himmel mitbringen: sonst findet man keine Schweiz und kein Italien."

Dieter Richter: "Jean Paul. Eine Reise-Biographie." 144 Seiten, 52 Abbildungen, gebunden. Transit Verlag Berlin 2012, 16.80 Euro. ISBN: 978-3-887-47280-1.

Jean Paul

Jean Paul wurde als Johann Paul Friedrich Richter am 21. März 1763 in Wunsiedel geboren. Sein Studium der Theologie in Leipzig hängte er bald an den Nagel, um sich der Schriftstellerei zu widmen. Um 1800 begann der literarische Erfolg des Autors, vor allem sein Roman "Hesperus oder 45 Hundsposttage", der 1795 veröffentlicht wurde, machte ihn schlagartig berühmt. Später wurde seinen Büchern deutlich weniger Beachtung und Enthusiasmus zuteil. Heute hingegen gelten "Titan" (1800-1803) oder "Flegeljahre" (1804/1805) als seine wichtigsten Werke. Am 14. November 1825 starb Jean Paul in Bayreuth.


Dieter Richter

Der Germanist wurde 1938 in Hof geboren. 1972 wurde er als Professor für Kritische Literaturgeschichte und literaturwissenschaftliche Methodenlehre an die Universität Bremen berufen. Gastprofessuren führten ihn nach Italien. Seit 2004 ist Richter emeritiert und freiberuflich tätig.


Lesung mit Brotzeit

Sein aktuelles Buch über Jean Pauls Lebenswanderungen stellt Dieter Richter auf Einladung der Buchhandlung Riemann am 20. November im Coburg vor. Um 20 Uhr trifft man sich im "Goldenen Kreuz" zu Bier und kleiner Brotzeit (10 Euro Vorverkauf, 15 Euro Abendkasse).