Zwar hatte Hermann Hesse 1877 im württembergischen Calw das Licht der Welt erblickt, jedoch als Bürger Russlands, und nach seiner endgültigen Naturalisierung 1924 durfte er sich Schweizer nennen. "Deutsches Wesen", sofern es Kopf- und Herzensenge und Bevormundung bedeutete, bedrückten ihn früh bis zum Selbstmordversuch. Den "Weg nach Innen" trat er an, das Ich und seinen universalen Wert suchend. Was er nach schweren Krisen fand, schrieb der konsequente Humanist in prominenter Prosa von großer Sprachschönheit auf: "Unterm Rad", "Demian", "Siddhartha", "Steppenwolf" ... Zwischen westlicher Psychoanalyse und fernöstlicher Erleuchtung nahm er intellektuell Platz; auch zwischen Sinnlich- und Geistigkeit, wie 1930 in "Narziß und Goldmund". Der Nobelpreisroman "Das Glasperlenspiel", der letzte und am tiefsten lotende Roman des Erzählers, erschien am morgigen Sonntag vor 75 Jahren. In ihm projiziert Hesse sein komplexes Ideengebäude einer zugleich künstlerischen, sozialen und individuellen Existenz in die Breite einer Großparabel, in die voluminöse Zukunfts-Utopie einer Gelehrtenrepublik, die sich mit ihrer elitären Abschottung allerdings selber bedroht. "Es gibt die Wahrheit", unterrichtet ein Mentor die Hauptfigur Josef Knecht, "aber du sollst dich nicht nach einer vollkommenen Lehre sehnen, sondern nach Vervollkommnung deiner selbst." Für derlei Wegweisungen lieben seither vor allem junge Leser den Dichter. Aber schon Zeitgenossen wie Stefan Zweig sprachen ihm "die Meisterschaft des Aussagens unsagbarster Zustände" zu. Für den nur zwei Jahre älteren Thomas Mann war Hesse der "Nächste und Liebste". Und die Hippie-Bewegung opferte ihm den Marihuana-Rauch ihrer Joints. Foto: picture alliance / dpa