Banz - Einen großen Stapel Bücher und ausgedruckter Einzelseiten brachte Michael Krüger mit in die Kutschenhalle in Banz, und mit einem Hinweis auf das für Skandinavien passende düstere Wetter beginnt er freiweg zu erzählen. Man merkt es: der selbst schreibende, dichtende und übersetzende ehemalige Verlagsleiter und derzeitige Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste liebt die Dichtkunst.

Für den schwedischen Abend im Rahmen von Lied & Lyrik - später gab es ja noch das Konzert mit skandinavischer Musik (siehe unten) - hatte er anfangs nur Gedichte herausgesucht, die sich mit Musik befassen. "Blödsinn, warum soll ich ein mittelmäßiges Gedicht lesen, nur weil es sich mit Musik befasst", befand er im persönlichen Gespräch und wählte nach seinem sicheren Geschmack aus. 1903 gab es mal eine Anthologie über schwedische Lyrik, eigentlich bekannt wurde sie aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland.

Die schwedische Poesie der Moderne beginnt, so Krüger, mit der finnisch-schwedischen Autorin Edit Södergran, die mit nur 31 Jahren 1923 an Tuberkulose starb, in ihrer kurzen Lebenszeit aber eine erstaunlich moderne, reim- und versmaßlose, emanzipierte Sprache führte.

"Ihr denkt bei Schweden an Greta Garbo und Ingrid Bergman, aber nicht an Dichtung und Musik", soll ein Schriftsteller mal gesagt haben. Dabei gibt es einige schwedische Literaturnobelpreisträger: Selma Lagerlöf, Nelly Sachs und Tomas Tranströmer seien stellvertretend genannt.

Tranströmer - erst im März 2015 verstorben - war Michael Krüger persönlich gut bekannt. Launig erzählt er die Geschichte vom Kennenlernen in einem überbelegten Hotel, wo er gefragt wurde, ob er mit einem schwedischen Dichter das Zimmer teilen würde. Zuerst nicht gerade begeistert, sagt er doch höflich zu, lernt Tomas kennen und schätzen, und es entwickelte sich eine lebenslange Freundschaft.

Krüger sagt: "Das ist mein Dichter", und da er selbst bei der Lesung auch Spaß haben will, liest er z.B. ein Gedicht in zwei verschiedenen Übersetzungen: einmal heißt das Gedicht "Enigma" also "Rätsel", beim anderen Übersetzer schlicht "Gleise". Die erste entpersonalisiert das Gedicht, findet aber interessante Wortschöpfungen wie "Lichtpfützen der Stadt". Die andere Übersetzung personalisiert und leidet mit einem real existierenden Menschen mit.

"Übersetzen und Lesen von Gedichten ist wie selber dichten", ist Krügers feste Meinung, der ob der Menge der ausgesuchten Beispiele ab und an das eine oder andere, was er vorlesen wollte, im Moment nicht findet. Zum Schluss geht ihm von einem Stück die zweite Seite ab und charmant findet (oder erfindet?) er in einem Gedicht, das sich dazu auch noch mit Musik befasst, eine ganz passende Stelle: "Elegie auf verlegte Gegenstände". Wäre es einem nicht langsam kühl geworden in der Kutschenhalle, hätten Krüger und seine knapp 30 interessierten Zuhörer mindestens noch eine Stunde länger ausgehalten.