Wunsiedel - Die Stadt, schreibt Birgit Simmler, "liebt den Wald, die Erde, das Wasser, die Luft". Es scheint, als würde sie mit ihrem Text bereits Wunsiedel meinen, doch diese Ankündigungsworte für eine Kulturveranstaltung beschreiben noch ihre derzeitige Heimat: Biedenkopf in Nordhessen. Vieles wird ihr im Fichtelgebirge bekannt vorkommen, wenn sie in einigen Monaten mit ihrer Familie hierher zieht, um die künstlerische Leitung der Luisenburg-Festspiele zu übernehmen. Von der Spielzeit 2018 an ist Birgit Simmler Nachfolgerin des bisherigen Intendanten Michael Lerchenberg.

Auch die 13 700-Einwohner-Stadt Biedenkopf, ein Luftkurort im Tal der oberen Lahn, ist von bewaldeten Mittelgebirgshöhen umgeben. Es gibt dort zwar keinen Ochsenkopf, aber doch immerhin eine 674 Meter hohe Sackpfeife. Biedenkopf liegt, wie Wunsiedel, in einem Naturpark, nämlich dem Lahn-Dill-Bergland, und ist umgeben von wunderbarer Wander-Landschaft. Es ist nicht weit ins Gladenbacher Bergland und ins Rothaargebirge. Auch Birgit Simmler schnürt, wenn man ihren Facebook-Fotos Glauben schenkt, immer mal die Wanderstiefel und zieht los in die Natur. Zum "Relaxen", wie ihre Freunde schreiben. An Landschaft zum Relaxen wird es der 44-jährigen Theatermacherin auch im Fichtelgebirge nicht fehlen.

Als Kulturbeauftragte im Rathaus und Leiterin des städtischen Eigenbetriebs "Freizeit, Erholung und Kultur" hat die neue Luisenburg-Chefin schon administrative Erfahrung gesammelt. Und künstlerisch ist die zupackende Frau, die man in Youtube-Videos herzhaft und unverstellt lachen hört, ohnehin seit Jahren unterwegs. "Das willst du machen!", sagte sie sich, nachdem sie in Berlin an der Freien Universität eine eigene Theatergruppe gegründet und ein Dutzend Theaterstücke produziert und inszeniert hatte.

Geradlinig war der Weg in die Künstler-Laufbahn nicht. Simmler, die sechs Jahre ihrer Kindheit in Regensburg verbrachte und später mit den Eltern nach West-Berlin zog, wollte eigentlich Kunst und Journalismus studieren, schwenkte dann aber um zum Lehramtsstudium für Deutsch und Englisch. Nach dem Fall der Mauer schnupperte sie im Ostberliner Kabarett "Distel" erste Theaterluft. Als Austauschstudentin arbeitete sie ein Jahr lang in New York am Broadway. Sie war dem Produzenten und Regisseur Emanuel Azenberg durch ein von ihr entworfenes Lichtdesign aufgefallen. Die Broadway-Legende, bereits elf Mal mit dem Theater-Oscar "Tony" ausgezeichnet, holte sie an seine Seite. So lernte sie auch den bekannten Autor Neil Simon ("Barfuß im Park") kennen, der seit 1972 oft mit Azenberg zusammenarbeitete. Die Zeit in New York hat Birgit Simmler intensiv geprägt.

Zurück in Europa arbeitete sie in Berlin und Wien, vor allem als Regisseurin und Autorin eigener Theaterstücke. In Wien lernte sie auch ihren Mann kennen, ebenfalls Regisseur. Gemeinsam arbeiteten sie in den Folgejahren, unter anderem auch auf den Theaterbühnen der Kreuzfahrtschiffe "MS Astor" und "MS Astoria". Schließlich ging Birgit Simmler noch einmal an die Uni und machte in Zürich ihren "Executive Master in Arts Administration".

"Ich arbeite gerne in Cinemascope", sagt die Regisseurin. Groß, meint sie, mit vielen Leuten. Bis zu 500 waren es schon. Gelegenheit, groß zu arbeiten, hat sie seit 2007 auf der Freilichtbühne von Hallenberg im Hochsauerland. Auf dem Gelände eines stillgelegten Steinbruchs werden seit sieben Jahrzehnten Klassiker und religiöse Stücke aufgeführt. Auch hier sind die Parallelen zu Wunsiedel offenkundig: Die Spielfläche ist fast neunzig Meter breit und mehr als fünfzehn Meter tief, der Höhenunterschied beträgt gut zwölf Meter. Und die 1400 Zuschauer sitzen sämtlich unter einem schützenden Dach. Die Darsteller werden von einer computergesteuerten Beleuchtungsanlage ins Licht gesetzt und per Mikroport-Übertragung für alle gut hörbar gemacht. Es gibt Nebel- und Effektmaschinen.

Nur: In Hallenberg spielen Amateure, in Wunsiedel kann Birgit Simmler mit professionellen Darstellern arbeiten. Vielleicht setzt sie im Fichtelgebirge ihr Faible für starke Frauen fort? Auf die Festspielbühne in Hallenberg hat sie "Die Päpstin" gebracht und zuletzt - als Musical-Weltpremiere - "Maria Magdalena".

Im Innenhof des Landgrafenschlosses von Biedenkopf hat Simmler 2013 die Schlossfestspiele begründet, die sich auf deutschsprachige Musicals zu lokalen historischen Themen spezialisiert haben. Ein paar international tätige Musical-Profis kommen jedes Jahr hierher, aber zumeist besteht das mehr als hundert Mitglieder zählende Ensemble aus lokalen Laiendarstellern. Zwei Produktionen haben die Festspiele bislang präsentiert: "Eingefädelt" in den Jahren 2013 und 2014 sowie seit 2015 "Der Postraub". Birgit Simmler hat das Stück, angelehnt an den historisch belegten Postkutschen-Überfall in der Subach im Mai 1822, selbst geschrieben und inszeniert.

Filmaufzeichnungen von den Proben zeigen sie als resolut zupackende Regisseurin, die eine Mitspielerin schon mal kurzerhand an der Hüfte umfasst, um sie auf die Position hinzustellen, die sie ihr zugedacht hat. Mit großen Gesten dirigiert sie ihre Darsteller. Sie erklärt, macht vor - notfalls mit Händen und Füßen. "Theater ist eine sehr körperliche Sache", erläutert sie.

Ihre Schreie, bemerkt sie lachend, müsse man halt dann rausschneiden aus dem Film. Ja, Birgit Simmler kann auch mal laut werden. "Das muss man manchmal sein", sagt die Frau. "Und es geht. Mein zweiter Name ist ,General'." Jetzt muss sie selbst schon wieder lachen. Sie liebt Inszenierungen, "in denen viel Logistik mit drin ist". Damit passt sie bestens auf die Luisenburg. "Darin bin ich stark, das weiß ich." Talent habe sie auch, ihren Darstellern als Regisseurin die Charaktere nahezubringen. Und der Autorin Kerstin Rachfahl erklärt sie im Youtube-Interview, dass sie Klassiker immer schon sehr gereizt hätten. Schließlich komme sie aus der Sprach- und Literaturwissenschaft. Schiller, Goethe. Auch Shakespeare. "Den würde ich unheimlich gerne mal inszenieren - in Groß."