Feuilleton Herzschmerz auf Knopfdruck

Alina Juravel
Hinter dem jungenhaften Aussehen des Sängers Henning May verbirgt sich eine gewaltige Stimme. Foto: red

Einst als Geheimtipp gefeiert, füllt die Kölner Band AnnenMayKantereit jetzt ganz große Hallen. Dabei setzen die jungen Musiker auf Altbewährtes und scheuen Veränderungen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Erlangen - Der Aufstieg von AnnenMayKantereit liest sich wie ein Musikmärchen. Es ist erst wenige Jahre her, da sangen die vier jungen Männer ihre Lieder in Kölner Fußgängerzonen. Sie begannen, sich dabei zu filmen und die Videos auf YouTube zu stellen. Eine super Selbstvermarktung, wie sich nur kurze Zeit später herausstellte. Es folgten Lob und Applaus von allen Seiten: Endlich eine Band, auf die sich alle einigen können. Mittlerweile sind die Videos von der Kölner Kombo Dauerbrenner auf YouTube und haben Millionen Menschen auf sie aufmerksam gemacht. AnnenMayKantereit - zusammengesetzt aus den drei Nachnamen der Gründungsmitglieder - steht jetzt bei einer der größten Plattenfirmen unter Vertrag. Das Debütalbum "Alles nix Konkretes" sprang von null auf Platz eins der Charts. Das Quartett wird also nicht mehr als das nächste große Ding gehandelt. Es ist das große Ding!

Und solange der Hype frisch ist, muss man ihn natürlich nutzen. In AnnenMayKantereits Fall heißt das, touren was das Zeug hält. Derzeit singt sich die Band in Akkordarbeit durch die großen Hallen der Bundesrepublik. So auch am Donnerstagabend in Erlangen, in der Heinrich-Lades-Halle. Das Konzert war seit Monaten ausverkauft.

Im großen Konzertsaal angekommen, wird dem Zuschauer schnell klar, dass die Marke AnnenMayKantereit vom Unspektakulären lebt. Die Bühne ist nur spärlich ausgeleuchtet. Keine Videoleinwände, kein Schnickschnack. Ein unscheinbarer Typ mit reichlich Locken in der Stirn und hinter dem Rücken verschränkten Armen betritt die Bühne und stellt sich an ein Mikro. Ein schlaksiger Mittzwanziger, der erstmal schüchtern in die Menge blickt. Und dann erklingt aus diesem jungenhaften Körper eine Stimme, die scheinbar alle Gefühle beschwören kann: Melancholie und Enttäuschung, Glück und Sehnsucht, Euphorie und Einsamkeit. Würde man die Augen schließen, man könnte meinen, Rio Reiser oder Tom Waits zuzuhören. Henning May, Sänger und zweifelsohne das Aushängeschild von AnnenMayKantereit, schafft es mit Leichtigkeit, Funken ins Publikum zu schlagen.

Dabei sind die Texte von AnnenMayKantereit ziemlich banal. Sie singen ohne großes Pathos über Liebeskummer, zerbrochene Freundschaften und betrunkene WG-Mitbewohner. Trotzdem liefern sie am Abend ganz schön viel Mitgröl-Material ab. Obwohl es die Band noch gar nicht so lange gibt, sind ihre Songs kurioserweise schon Klassiker. Ihre Königsdisziplin sind dabei Liebeslieder ohne Happy End. Auf Knopfdruck schaffen sie es, Herzschmerz entstehen zu lassen, ihr Publikum jedoch nicht in Melancholie zu ertränken. Wenn Henning May sich ans Klavier setzt und ins Mikro "Ich träume von Liebesliedern und sing' dabei von dir" haucht, dann wirkt es im besten Fall schwermütig, aber keineswegs kitschig.

Ohne wirklich eine Show zu machen, liefern AnnenMayKantereit eine große Show ab. Sie wissen, dass sie gut ankommen und vielleicht genau deswegen ziehen sie so stur ihr Programm durch. Fast anderthalb Stunden bewegt sich das Quartett auf den bewährten Pfaden seiner Musikkarriere. Es gibt leider wenig Ansagen - und wenn, dann werden nur längst bekannte Anekdoten wiedergekäut. Die Fans verzeihen es.

Bilder