Eyrichshof "Hossa!"

Die Siebzigerjahre in Bild und Ton erlebten die Zuschauer beim Konzert von Dieter Thomas Kuhn und "Kapelle" in Eyrichshof. Foto: Rudolf Hein

Fast nicht zum Aushalten authentisch lässt Dieter Thomas Kuhn in Eyrichshof die Siebzigerjahre mit ihren Schlagern aufleben. Das Publikum schmalzt in passender Verkleidung mit.

 
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Eyrichshof - "Dieeeder, Dieeder Doomas Kuuuuhn" skandiert eine Gruppe Fans zur Melodie von "Sierra Madre". Ins andere Ohr schallt in Endlosschleife "Ti amo" aus den Kehlen mehrerer Sangeskollegen, die allerdings über diese Textzeile nicht hinauskommen. Mehr als den Refrain braucht es auch nicht, um sich bei den gesammelten altbekannten Ohrwürmern akustisch einzubringen. Meist reicht auch ein "Nananana". Dementsprechend dicht ist der Tonteppich, den das Publikum beim Konzert in Eyrichshof selbst webt.

Schon kurz vor 20 Uhr fordern die Sonnenblumen schwenkenden und größtenteils bunt ausstaffierten Fans ihren Heroen mit "Dieter, Dieter"-Rufen auf die Bühne. Und Schlag acht entert ihr Held die Bühne, zusammen mit den sieben Mitmusikern der "Kapelle", wie Dieter Thomas Kuhn (DTK) konsequenterweise seine Gruppe auf deutsch bezeichnet. Denn das gesamte Programm besteht ausschließlich aus heimischen Schlagern der siebziger Jahre. Passend dazu das Bühnenbild und das Outfit der Musiker mit knallengen grellbunten Glitzeranzügen, gefönten Haartollen und Absatzschuhen.

"Musik ist Trumpf", "Quando quando", "Fiesta Mexicana" bilden den Einstieg. Die Fans sind begeistert, sie verzeihen dem Schwaben schnell, dass er Ebern bei der Begrüßung nach Oberfranken verortet. "Heintje würde wieder sagen: Schleim' nicht so rum", blickt Kuhn in Richtung seines Kollegen am Keyboard, um dann dennoch hemmungslos seine angebliche Affinität zu Franken zu bekunden. Dass er findet, Schwaben und Franken hätten viel gemeinsam, können nicht alle Besucher nachvollziehen.

Aber schon geht es weiter im Programm mit "Schön ist es auf der Welt zu sein", bei dem das routinierte Publikum genau weiß, wo es die Hände zu heben hat und brav mitspielt. "Love and Peace" lautet die "Botschaft" Kuhns, wie er sagt; die Bühne ziert denn auch ein großes Peace-Symbol. Willkommen sei ihm Jede und Jeder, egal welchen Alters, Glaubens oder Farbe, erklärt er. Und wird zum einzigen Mal an dem Abend politisch: "Außer dem Arschloch aus den USA mit der Scheißfrisur - der hat bei uns Hausverbot!"

Udo Jürgens wird mit "Griechischer Wein" und "Ich war noch niemals in New York" gewürdigt, spätestens bei Reinhard Meys "Über den Wolken" grölen alle mit, a cappella lassen die Fans "alle Ängste, alle Sorgen" am Boden zurück. "Erotisch" findet dies DTK und behauptet: "Das hat man bis nach Coburg gehört!"

Überhaupt gibt er sich unwiderstehlich, zählt die Büstenhalter, die ihm aus dem Publikum zugeworfen werden und drapiert sie wie Trophäen an sein Mikro: "Ihr dürft alles mit mir machen - anfassen, küssen, .... Ach, bedient euch einfach!", fordert er seine Fans auf, noch die allerletzten Hemmungen fallen zu lassen.

Auszuhalten ist das Ganze anscheinend nur mit Alkohol. Nach einem Ramazotti für die Band darf es auch ein Bier sein, leider kein fränkisches habe man ihnen hingestellt, mault der Bandleader. Die Gastgeber haben den Wink mit dem Zaunpfahl sofort verstanden und einheimische Erzeugnisse zum Flüssigkeitsausgleich auf die Bühne gebracht, denn: "Das ist der Sex des Alters", bekennt DTK, dessen Astralkörper erkennbar stramm von den überaus knapp sitzenden Kostümen umhüllt wird. Er berichtet vom nächtlichen Nacktbaden im Hotel in Leipzig, wo Trompeter Bruno ja leider nicht dabei gewesen sei, dem er sogleich anbietet, sich doch jetzt auszuziehen. Der verzichtet, vorerst jedenfalls. Dafür nimmt Kuhn umringt von Security im Schlosshof zu "Fremde oder Freunde" ein Bad in der Menge.

Hüllen fallen erst ganz zum Schluss. Als ein schwarzer Flügel auf die Bühne gerollt wird und DTK im weißen, vorne offenen Fellmantel erst die Bühne und später das Piano entert, stockt dem Betrachter der Atem. Er beschwert sich, dass er erst jetzt eine blanke Brust im Publikum zu sehen bekommt, lässt aber offen, ob sie einem weiblichen oder männlichen Fan gehört. Denn auch letztere haben sich in Sachen Erscheinungsbild top auf das Konzert vorbereitet, tragen Wuschelperücken und Brusthaartoupets zu Schlaghosen und Hawaiihemden, auf der Nase riesige Brillen mit bunten Gläsern. So auch Gastgeber Hermann von Rotenhan, der im pinkfarbenen Satinhemd und mit rosa Brille die zu erwartenden Ungeheuerlichkeiten auf sich zukommen lässt: "Ich freue mich auf einen schönen Abend und dass alle Spaß beim Party machen haben".

Die Besucher haben ihn in jedem Fall: Zu den zwei Zugaben hat sich die Kapelle umgezogen - die Musiker bieten "Butterfly" und "Tränen lügen nicht" in schwarzen Trainingsanzügen und schwarz-rot-goldenen Catsuits, einer davon bauchfrei, bevor sie die Bühne endgültig räumen. Begeistert und beseelt strömen die Fans zu den Synthieklängen von "Popcorn" in die laue Vollmondnacht.

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