Feuilleton In den Fängen der Mafia

Florentine Dame
Sie ermitteln an diesem Sonntag erstmals gemeinsam in Dortmund: der Münchner Kommissar Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) mit seinen Kollegen Jan Pawlak (Rick Okon), Martina Bönisch (Anna Schudt) und Nora Dalay (Aylin Tezel, von links). Foto: WDR/Frank Dicks Quelle: Unbekannt

Mit einer Doppelfolge und den TV-Kommissaren aus München und Dortmund feiert der "Tatort" am Sonntag sein Jubiläum. Fesselnd wird von einer Familie erzählt, die sich mit dem Bösen einließ.

 
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Dortmund/München - Mit Wucht bohrt sich das Messer in den Bauch des Opfers, es folgen ein verzweifelter Lauf durch München, ein Todeskampf und ein Abschied: Gleich mit der ersten Szene setzt der erste Teil der "Tatort"-Doppelfolge den Ton für das packende 50. Jubiläum der populärsten Krimireihe Deutschlands: "In der Familie I" von Regisseur Dominik Graf ist schonungslos in seinen Bildern und temporeich von der ersten Minute an - und dabei doch alles andere als ein typischer Mafia-Film.

Drehbuchautor Bernd Lange ist mit dem am Sonntag im ARD-Fernsehen ausgestrahlten ersten Teil ein Film gelungen, der Polizei- und Familiendrama gleichzeitig ist - und der gerade in leisen Momenten den Atem stocken lässt. Für die Crossover-Produktion von Westdeutschem und Bayerischem Rundfunk ermitteln zwei durchaus gegensätzliche Teams gemeinsam - oder sollte man besser sagen: gegeneinander?

Der eingangs geschilderte Mord jedenfalls wird die Münchner Urgesteine der "Tatort"-Reihe, Ivo Batic (Miroslav Nemec) und Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl), nach Dortmund führen, wo die Kollegen rund um den eigenwilligen Kommissar Peter Faber (Jörg Hartmann) eine eher mäßig laufende Vorort-Pizzeria ins Visier genommen haben.

Die Vermutung: Die italienische Mafia könnte das verkehrsgünstig gelegene Lokal als Drogenumschlagplatz nutzen. Doch ohne eindeutige Beweise für diesen auf ein Amtshilfegesuch aus Rom zurückgehenden Verdacht, verweigert der Staatsanwalt ein Eingreifen. Doch Faber wäre nicht Faber, wenn er sich so einfach zum Zaungast machen ließe.

Im Gepäck der letzten Lieferung aus Kalabrien ist der Italiener Pippo. Nach dem eingangs gezeigten Messermord in München soll er in Dortmund untertauchen. Luca Modica, Restaurantbesitzer, Ehemann und Vater, muss ihn aufnehmen. Die Ndrangheta will es so.

Es entspinnt sich ein bedrohlich immer weiter auf den Abgrund zusteuernder Plot, den der versierte "Tatort"-Macher Graf ("Frau Bu lacht", "Aus der Tiefe der Zeit", "Der rote Schatten") eher als "Kammerspiel" denn als Mafia-Film verstanden wissen will: Wie eine Schraube ziehe sich die Situation Zug um Zug für alle Beteiligten zusammen "bis zu einem mörderischen Ende. "Und das obwohl die meisten Beteiligten doch nur das Gute im Sinn haben", sagt er.

Da ist einerseits die unbescholten wirkende deutsch-italienische Familie, in deren Mitte sich der Mafioso Pippo festsetzt und dessen Brutalität und verkorksten Werte alles vergiften. Da sind andererseits Faber und seine Kollegen, die ausfechten müssen, wie weit sie mit eigenmächtigen Ermittlungsstrategien gehen wollen.

Während Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) auf der Bremse steht, glauben Faber und Nora Dalay (Aylin Tezel) einen Weg gefunden zu haben, das seit Jahren keine Fehler machende Drogenkartell auffliegen zu lassen: Als verdeckte Ermittlerin heftet sich Nora an die Fersen von Restaurantbesitzerin und Ehefrau Juliane Modica.

Die Münchner Kollegen machen die Gemengelage noch komplizierter: Ihnen liegt ein Haftbefehl für Pippo vor. Doch ein Zugriff würde die gesamte Mission gefährden.

"Ein großes Drama, klein erzählt. So wollte ich es verfilmen", sagt Dominik Graf. Es ist gelungen: Was hier in Gestalt des vor wenig zurückschreckenden Pippo über eine Familie, die glaubte, sie sei normal, hereinbricht, ist Sinnbild für das weltweit funktionierende kriminelle Mafia-System aus Erpressung, Kontrolle und Gewalt. Faber und Co stehen mit ihren Abhörsendern und Handy-Kameras für eine Polizei auf verlorenem Posten im Kampf gegen dieses System.

So düster und trist die Bilder sind, mit denen Graf diese Geschichte von Ausgeliefertsein erzählt, so fesselnd ist die Handlung, so glaubwürdig und klischeefrei sind die Figuren. Gut, dass das großartige Drehbuch von Bernd Lange zur Feier des 50. "Tatort"-Jubiläums nach dem Ende von Teil 1 noch mal über 90 Minuten tragen wird - unter der Regie von Pia Strietmann folgt am 6. Dezember das nicht minder fesselnde "Rückspiel" in München.

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"Tatort: In der Familie" (Teil eins) an diesem Sonntag um 20.15 Uhr im Ersten

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