Bestsellerautorin Charlotte Link (54) schreibt in ihren Krimis über grausame Verbrechen und Serienkiller - bekommt davon aber keine Alpträume. «Komischerweise träume ich nie davon. Das stört meinen Schlaf nicht», sagte Link der Deutschen Presse-Agentur. Sie wundere sich selbst darüber. «Ich bin sonst in dieser Hinsicht zart besaitet. Wenn ich Krimis im Fernsehen schaue, halte ich mir fast immer die Hand vor die Augen, wenn es spannend wird. Weil ich es ganz schlecht aushalte, so etwas zu sehen», sagte sie. Am (morgigen) Montag (1. Oktober) kommt ihr neuer Kriminalroman «Die Suche» heraus. Link wird am 5. Oktober 55 Jahre alt. Sie wohnt in Wiesbaden.

Zur Person: Charlotte Link führt seit Jahren die Bestsellerlisten an. Ihre Krimis wurden weltweit in mehr als 20 Sprachen übersetzt, besonders beliebt sind sie auch in Italien, Polen und Südkorea. Link wurde in Frankfurt/Main geboren.

Frage: Ihre Bücher sind allein in Deutschland mehr als 28 Millionen Mal verkauft worden. Was ist Ihr Geheimnis?

Antwort: Ich habe eigentlich kein Geheimnis oder ein Rezept oder eine geheime Formel. Ich glaube, dass meine Bücher sich hauptsächlich über die Personen, also über die Figuren tragen. Und dass ich mit den Figuren ziemlich nah an den realen Menschen dran bin. Das ist jedenfalls das Feedback, das ich bekomme, wenn mir Leser schreiben: Jemand hat sich erkannt in einer Figur, jemand hat genau das empfunden, was ich da schreibe. Ich könnte mir also denken, dass da ein Geheimnis liegt.

Frage: Wie fallen Ihnen die Themen für Ihre Kriminalromane ein?

Antwort: Es ist fast immer so, dass mir irgendein Auslöser begegnen muss. Es bringt mir nichts, mich hinzusetzen und zu versuchen, durch krampfhaftes Überlegen ein Thema zu finden. Das klappt nicht. Sondern mir muss das Thema begegnen und ich muss irgendwie davon angesprochen sein. Wenn es gefunkt hat, kann ich einfach nicht aufhören, darüber nachzudenken. Bei meinem neuen Buch «Die Suche» war es der Gedanke - ich habe ja auch eine Tochter - was wäre, wenn eines Tages ein Teenager nicht mehr nach Hause kommt?

Frage: Haben Sie immer ein fertiges Konzept vor dem Schreiben?

Antwort: Ich habe ein Konzept. Das ist auch ziemlich gut schon strukturiert von Anfang bis Ende. Ich brauche das auch, um anfangen zu können. Und es ist auch etwas, womit ich mich selbst immer wieder überliste, weil ich gleichzeitig weiß, ich werde sicherlich nicht dranbleiben. Weil sich im Laufe des Schreibens Dinge einfach anders entwickeln. Figuren entwickeln sich anders. Das ist das berühmte Eigenleben der Figuren, das ich erst erkenne, während ich schreibe.

Frage: Wie lange brauchen Sie für einen Roman?

Antwort: Fast immer ziemlich genau ein Jahr. Ohne Recherche vorher. Ich sitze jeden Morgen ab 8 Uhr an meinem Schreibtisch. In einem kleinen Arbeitszimmer mit einem schönen Blick über Wiesbaden. Ich habe mir selbst einen genauen Arbeitstag strukturiert. Ich finde, das braucht man in einem so freien Beruf. Oder ich brauche das jedenfalls.

Frage: Fällt Ihnen das Schreiben immer leicht?

Antwort: Nicht immer. Ich versuche, am Tag zwei Seiten im Computer zu schaffen, das sind zwei dreiviertel Seiten im Buch. Das klingt jetzt nicht so viel. Es gibt natürlich Tage, da flutscht es und ich bin mittags fertig. Und es gibt Tage, da sitze ich am Spätnachmittag noch dran. Es ist sehr verschieden, aber dieses Limit versuche ich auf jeden Fall jeden Tag zu erreichen. Ich will es gar nicht überhöhen, aber es ist angestrengtes Arbeiten.

Frage: Wollten Sie immer schon Schriftstellerin werden?

Antwort: Ich habe noch bis Mitte 20 geglaubt, dass man vom Schreiben einfach nicht leben kann. Dass man deshalb auf jeden Fall einen «seriösen» Beruf braucht. Ich hatte angefangen, Jura zu studieren und wollte Juristin werden. Ich war noch nicht sicher, ob Rechtsanwältin oder Staatsanwältin oder Richterin. Ich hatte schon damals, als ich das studierte, eine ganz große Hinwendung zum Strafrecht. Da haben mich die Krimis gewissermaßen schon beschäftigt.

Frage: Wie viele Kriminalromane wollen Sie noch schreiben?

Antwort: Da bin ich offen, weil ich eigentlich glaube, das kann man gar nicht planen. Es kann ja auch plötzlich sein, dass mir eine Zeit lang keine Idee begegnet. Weil ich vielleicht ausgebrannt oder erschöpft bin. Dann kann ich mir auch eine Pause vorstellen. Eine, bei der man dann wieder irgendwann einsteigt. Aber es kann natürlich auch sein, dass man in der Pause einen ganz anderen Weg findet und nicht mehr wieder einsteigt. Mal sehen, was das Leben bringt.

Frage: Haben Sie schon eine Idee für ein neues Buch nach der «Suche»?

Antwort: Ja, ich habe im Moment eine, wie ich finde, schöne Idee für ein neues Buch. Ich kann so viel sagen, es wird wieder eine Geschichte um Kate (Polizistin bei Scotland Yard) sein. Weil mich auch viele Leser fragen, wie es mit ihr weitergeht. Kate beschäftigt irgendwie. Ich werde das nächstes Jahr schreiben und es wird wahrscheinlich, wenn es alles so läuft, 2020 erscheinen.

Frage: Früher haben Sie keine Lesungen gemacht. Jetzt gehen Sie bis Januar 2019 auf Lesereise in Deutschland, unter anderem nach Bitburg zum Eifel-Literatur-Festival (26. Oktober). Was ist anders?

Antwort: Es war es für mich immer schwierig, mich zusammen mit dem Buch auf eine Bühne zu stellen. Das veränderte sich, als ich das Buch «Sechs Jahre» geschrieben hatte, das Buch über die Krankheit und das Sterben meiner Schwester. Mit dem bin ich nach draußen gegangen. Das war kein Roman, sondern das war eine wahre, unmittelbar erlebte Geschichte, in der ich etliche Botschaften transportierte. Und ich fand das so wichtig, dass ich da wirklich total über meinen Schatten gesprungen bin. Obwohl ich überhaupt nicht der Typ bin, der gerne in der Öffentlichkeit steht. Das war einfach ein Schritt, den ich machen musste, ein Prozess. Heute habe ich kein Problem mehr mit Lesungen.

Frage: Was bedeutet es Ihnen, beim Eifel-Literatur-Festival zu lesen?

Antwort: Das ist ein hochkarätiges Festival, bei dem großartige und interessante Autoren auftreten. Ich freue mich sehr darauf.

Das Interview führte Birgit Reichert, dpa.