Bamberg - Wenn sie mal wieder nicht schlafen kann, dann setzt sie sich hin zum Schreiben. Ganz früh am Morgen entstehen ihre unverkrampften Gedichte, ihre ironische Lyrik und ihre scharfsinnigen Wortneuschöpfungen. Nora Gomringer liebt es, mit Worten zu spielen. Sprache, das ist für sie Genuss. Nur fehlt der Leiterin des Künstlerhauses Villa Concordia in Bamberg inzwischen dafür manchmal die Zeit.

"An erster Stelle steht im Moment die Arbeit hier im Haus. Alles was ich mache als Autorin und Dichterin - da nehme ich mich sehr zurück", sagt die 31-Jährige und hofft, dass ihr das Austarieren bald wieder besser gelingt. "Wenn ich lange nicht zum Schreiben komme, dann geht es mir nicht so gut. Doch im Moment habe ich die dichterische Pausentaste gedrückt, weil so viel Kulturarbeit für den Herbst vorzubereiten ist."

Im Herbst erscheinen auch zwei Bücher von der Autorin, die die schweizerische und die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt und ihre Kindheit in Wurlitz bei Rehau verbracht hat. Der neue Lyrikband fasst ihre vier ersten Bücher zusammen, die andere Publikation "Ich werde etwas mit der Sprache machen" enthält Essays und ihre Kolumnen, die sie für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und die Neue Zürcher Zeitung verfasst hat.

Mit der Sprache macht Nora Gomringer, die sich auch der Spoken-Word-Szene verbunden fühlt, allerhand: Sie arbeitet sich an ihr und mit ihr ab, knetet, kräuselt und verdreht sie. Ein intensives Erlebnis sind ihre Live-Auftritte. Mit all ihren Texten und Gedichten tritt die selbstbewusste junge Frau auf - sehr lebhaft, sehr lustig, leicht und dann doch mit erstaunlicher Dramatik. "Ich habe schon so ein paar Hämmer dabei", offenbart sie. Da gefriert ihren Zuhörern das Lachen in der Kehle - "aber vom Gefühl her werde ich als Lustmacher beschrieben. Ich mache Lust auf Sprache und auf Lyrik."

Wie kommt sie auf ihre Themen, die von der Artischocke, die sie mit dem menschlichen Herzen vergleicht, bis zum Seitensprung reichen? "Ich schließe nichts aus. Fast alles ist poetisierbar und Werkstoff für Lyrik oder für eine künstlerische Auseinandersetzung." Die Verliebtheit in die Sprache ist ihr im Elternhaus mitgegeben worden. "Das ist erzieherischer Abfall", sagt sie lachend. Schließlich ist sie die Tochter von Eugen Gomringer, der als "Vater der Konkreten Literatur" bezeichnet wird, und der Germanistin Nortrud Gomringer. "In meinem Elternhaus habe ich die Sprache als Genuss erlebt. Mir wurde oft vorgelesen, das habe ich ganz intensiv empfunden."

Auf den Poetry-Slam-Bühnen feierte Nora Gomringer mit ihren schelmischen Gedichten große Erfolge. "Slam ist ein Veranstaltungsformat, wo jeder mal darf", erklärt sie. "Ob jeder sollte, ist eine andere Geschichte." Für Frankens "Queen of Spoken Words" ist die Attraktion dieser Happenings ein Zeichen, dass sich junge Menschen durchaus für Sprache interessieren. "Poetry Slam darf man nicht ernst nehmen, das ist das Schöne daran. Es ist keine Clownerie, sondern einfach ein Spielen mit Selbstverfasstem." Ganz wichtig ist ihr, diese Variante außerhalb eines literarischen Kontextes zu betrachten. "Das Publikum soll sich einfach gut unterhalten fühlen."

Im Herbst erhält die Lyrikerin den Jakob-Grimm-Preis, weil sie einer neuen Form des Dichtens - eben dem Poetry Slam - in Deutschland zur Popularität verholfen hat. Sie ist dann mit Abstand die jüngste Ausgezeichnete. Für die 31-Jährige ist das der höchstdotierte und der "seltsamste" Preis, den sie je erhalten hat. "Denn er wird nicht für Literatur, sondern für das Engagement für die deutsche Sprache verliehen." Nun erscheinen aber Gomringers Bücher übersetzt in zahlreichen Ländern. "Klar habe ich mir Deutsch als Sprachheimat gesucht. Aber ich schreibe auch auf Englisch, und das ist mir sehr wichtig." Eigentlich denkt sie, dass sich einige ihrer Kollegen viel mehr hervorgetan haben. "Jetzt freue ich mich erst einmal über den Preis, stehe aber ein bisschen da wie Sterntaler."

Für die zwölf Stipendiaten, die ein knappes Jahr in der Villa Concordia leben und arbeiten dürfen, macht sie sich stark: schreibt Unterstützungsbriefe an Galerien, Verlage und Agenturen und stellt ihre Werke der Öffentlichkeit vor. "Alle Künstler sind gleich beschenkt vom Staatsministerium mit diesem Aufenthalt hier." Die Leiterin des Künstlerhauses sieht dies als Anerkennung der Arbeit, die die Kunstschaffenden für die Gesellschaft leisten. Sie hebt heraus, dass ihre Künstler sehr arbeitsbeflissen sind. "Die haben Erfolg und wollen ihn auch halten. Dafür müssen sie sich richtig anstrengen, viel reisen, sich gewissenhaft selbst verwalten." Leider bemühe sich die Gesellschaft immer weniger um ihre Kunstschaffenden.

"Auch ich merke, dass ich für
einen Rezipientenkreis schreibe, den es bald nicht mehr gibt." Ein
Künstler mache seine Arbeit bereits jetzt in einer anderen Welt, als in der, in der er beschlossen habe: Jetzt
will ich Künstler sein. "So etwas habe ich übrigens nie gedacht. Mir war
das eher etwas peinlich mit dem
Schreiben."

Werkstatt


In Buch und Netz

Das aktuelle Buch von Nora Gomringer heißt "Nachrichten aus der Luft" und ist inklusive einer CD im Voland & Quist-Verlag erschienen; es kostet 15,90 Euro.

Informationen über Nora Gomringer und ihre Arbeit im Internet unter www.villa-concordia.de.