Theaterluft witterte Kerstin Specht zum ersten Mal in Coburg. Es rumorten die 70er-Jahre, gegeben wurde „Becket oder Die Ehre Gottes“ von Jean Anouilh, und die Jungs aus ihrer Klasse waren begeistert – „denn da stand eine nackte Frau auf der Bühne“.

Kerstin Spechts Faszination für das Theater sollte sich als nachhaltiger erweisen als die ihrer Mitschüler aus dem Kronacher Kaspar-Zeuß-Gymnasium. Zwischen Germanistik- (nebst Theologie-) Studium und Filmhochschule nahm sie in München Schauspielunterricht, arbeitete als Regieassistentin und begann schließlich selbst, Stücke zu schreiben – mit akutem Erfolg: Gleich ihr Erstling, „Das glühend Männla“, ging 1990 von Bonn aus um die Welt. Beinahe.

In Coburg ist es bis dato nicht angekommen, so wenig wie die weiteren 16 Specht-Stücke von „Lila“ bis „Zeit der Schildkröten“, die zwischen 1990 und 2005 an namhaften Häusern uraufgeführt wurden.

Dafür ist die Autorin nun selber gekommen – für ein Heimspiel in unerwarteter Mission: Als Regisseurin verheißt sie dem Coburger Publikum einen „Mordsspaߓ. Was wörtlich zu verstehen ist in Robert Thomas‘ reichlich schwarzer Krimikomödie „Acht Frauen“, die ab 16. Mai einige Turbulenzen auf der Landestheater-Bühne verursachen dürfte.

So ungewöhnlich findet die Dramatikerin ihre Ausflüge ins Regiefach gar nicht – schließlich startete sie ihre Künstlerkarriere in den späten 80ern auf diesem Terrain: „Im Grunde wollte ich Filme machen“ verrät die 51-Jährige. Sie wollte nicht nur: Drei Kurzfilme drehte sie zum Abschluss an der Münchner Filmhochschule, „irgendwann liefen die auch mal im WDR“.

Der Traum vom ambitionierten Autorenkino im kreativen Team weit weg von Hollywood („eine Filmfamilie wie bei Faßbinder“) platzte allerdings auf ebenso unerwartete wie angenehme Weise: „Lila“, dank einer Pressenotiz in der Abendzeitung („Geld für Theaterstücke“) auf gut Glück nach Berlin geschickt, trug seiner Autorin prompt ein Stipendium des literarischen Colloquiums ein – und das Augenmerk der feuilletonistischen Zunft. Die Talent-Scouts von „Theater heute“ rühmten Spechts Texte „auf der Grenze des Menschenmöglichen“, ebneten dem „Glühend Männla“ den Weg zur Bühne und kürten die Stockheimerin zur Nachwuchsdramatikerin des Jahres 1993.

Mit dem kargen Ton, der mürben Atmosphäre, der fränkelnd-„verhochdeutschten“ Kunstsprache ihrer kritischen Volksstücke in der Tradition Horvaths, Fassbinders, Kroetz‘ traf die junge Frau aus dem Frankenwald den Geist der Zeit und wurde alsbald zur „Enkelin Marieluise Fleißers“ ernannt (und nach Bayerischem Förderpreis, Else-Lasker-Schüler-Preis, Deutschem Kindertheaterpreis etc. 2005 auch mit dem Marieluise-Fleißer-Preis bedacht).

Aus der Enge der Schublade arbeitete sie sich zügig heraus: „Die ersten drei Stücke habe ich an meiner Biografie entlang geschrieben“ erzählt Kerstin Specht. Mit „Der Flieger“ – dem Porträt eines Mannes, der Familie und Beruf seiner Obsession opfert – weitet sie 1993 den Horizont, erzählt Geschichten „vom Verlust der Utopien“. Mittlerweile ist sie „beim Ursprung des Theaters angelangt“: den großen Mythen. Philemon und Baucis hat sie aufgegriffen, aus der Nibelungen-Figur Wieland ein Kinderstück über das Glück geschmiedet und jüngst Prometheus mit Titanen der Moderne kurzgeschlossen: Mit der Band Axxis wuchtete Specht ein Heavy-Metal-Drama auf die Memminger Bühne.

Kulisse Frankenwald

Für cineastische Ambitionen blieb nebenher kein Raum – jedenfalls bisher. „Ich würde gerne Filme machen“ bekennt Kerstin Specht – „der Frankenwald als poetische Landschaft“ reizt sie als Kulisse. Dass auch die Vestestadt dabei eine Rolle bekäme, scheint gar nicht ausgeschlossen: Beim Blick über die Altstadtdächer fühlt sich Kerstin Specht „wie im Märchenbuch“.

Nicht ganz so lieblich ist das Thema, das sie in Coburg umtreibt: Ein Familienfest mit tödlichem Ausgang. Die titelgebenden „Acht Frauen“ in Robert Thomas‘ Kriminalkomödie sind acht potenzielle Mörderinnen, denn eine jede – Ehefrau oder Schwiegermutter, Köchin oder Dienstmädchen – hätte ein triftiges Motiv gehabt, das Messer in den Rücken von Hausherr Marcel zu rammen.

Die Suche nach der Wahrheit gestaltet sich gleichermaßen überraschend wie vergnüglich – Francois Ozons Verfilmung mit Catherine Deneuve, Fanny Ardant und Isabelle Huppert erntete 2002 denn auch einen „Silbernen Bären“ und eine Oscar-Nominierung.

Bei allem Witz birgt „Acht Frauen“ eine höchst abgründige Story: „Die sexuellen Obsessionen hinter der Fassade bourgeoiser Wohlanständigkeit“ kommen zum Vorschein, „alle Figuren werden bis zu ihrem Äußersten getrieben“, verrät Kerstin Specht. Überhitzte Charaktere will sie mit Boulevard-Schwung und Live-Musik auf die Bühne bringen, der Erwin Bode tendenziell den Look der 60er/70er Jahre verpasst. Die Arbeit im reinen Damenteam – lebendige Männer kommen im Stück nicht vor – begeistert die Regisseurin stärker als erwartet: „Diese Frauenpower inspiriert!“.

Premiere: 16. Mai, weitere Vorstellungen: 18., 23. Mai.

Inszenierung: Kerstin Specht, Bühne: Erwin Bode, Kostüme: Diemut Remy

Mit: Dagmar Poppy, Johanna Schubert, Caroline Betz, Elga Mangold, Anja Lenßen, Stephanie Brenner, Kathrin Molsberger, Vera Potoschnig