Bad Staffelstein - Na, als Mann habe sie ihn nicht gerade gewollt, doch ansonsten hege sie doch Bewunderung und Achtung für ihn. Für seine Denkweise und genaue Beobachtungsgabe, für seine künstlerische Art und den Humor, der sie zu schallendem Lachen gebracht habe.

Die Autorin

Natalie Gutgesell wurde 1972 in Coburg geboren. Sie studierte von 1991 bis 1997 Anglistik und Romanistik mit Schwerpunkt Linguistik an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und von 2005 bis 2010 Kunstgeschichte, Theater- und Medienwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (M.A.). 2014 promovierte sie im Fachbereich Kunstgeschichte mit einer Dissertation über den Bestsellerautor der Romantik, Joseph Victor von Scheffel, als bildenden Künstler. Natalie Gutgesell ist Mitglied im Verband deutscher Kunsthistoriker, BBK Oberfranken (Berufsverband der bildender Künstler), Kunstverein Coburg, in der Literarischen Gesellschaft Karlsruhe und in der Prinz-Albert-Gesellschaft Chemnitz.

2007 erhielt sie den Förderpreis der Stadt Coburg für bildende Künstlerinnen und Künstler. Von 2005 bis 2010 war sie künstlerische Leiterin des Kulturfestivals "Tambacher Sommer".

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www.Nataliegutgesell.de


In Dr. Natalie Gutgesells Stimme schwingt Begeisterung und Erheiterung mit, wenn sie von Joseph Victor von Scheffel erzählt, dem Künstler, dessen Namen in der Coburger Region wohl bekannt ist, und über den die meisten doch gerade mal wissen, dass er der Verfasser des "Frankenliedes" ist.

Der in Coburg geborenen Kunsthistorikerin war genau dieses Wissen vor neun Jahren zu wenig, als es darum ging, in Bad Staffelstein eine Ausstellung zu Scheffel mit zu konzipieren. "Das ging gar nicht", erzählt sie, "etwas vorzubereiten und nichts darüber zu wissen." So begann ihre intensive Recherche, die im Jahre 2014 in einer Dissertation über Scheffel als bildenden Künstler gipfelte. So ergab es sich, dass vor drei Jahren der Mitteldeutsche Verlag aus Halle an sie herantrat und den Auftrag zu einem Kultur-Reiseführer über den berühmtesten Autor, Maler und Dichter des 19. Jahrhunderts erteilte. Zu Beginn dieses Jahres ist das Büchlein "Wege zu Scheffel" nun erschienen.

Zwölf Orte, an denen er gelebt und gewirkt hat, werden darin ausführlich beschrieben. Den Auftakt bildet Karlsruhe, die Stadt, in der Scheffel 1826 geboren wurde und 1886 verstarb. Weiter geht es nach Bruchsal, Heidelberg, Eisenach, Ilmenau, Bad Staffelstein, die Fränkische Schweiz über Radolfzell, Singen, Donaueschingen nach Bad Säckingen und Gengenbach. "Ich habe alle Orte besucht, dort Kontakte zu Institutionen aufgenommen, Bilder angefordert und neues Material in Archiven gefunden", erzählt Gutgesell.

Ihr Reiseführer beschränkt sich aber nicht darauf, Sehenswürdigkeiten oder Lebensstationen des Poeten und Malers vorzustellen, sondern liefert zahlreiche Geschichtchen über den Mann, der zu seiner Zeit so berühmt war und dennoch heute nicht sehr bekannt ist.

Und da geht es schnell weg vom Image des ernsten Dichterfürsten mit grauem Bart und Brille hin zu einem jungen und frechen Mann, der witzige Gedichte verfasste, malen und zeichnen konnte und so seine (amüsant zu lesenden) Probleme mit dem weiblichen Geschlecht hatte. "Mit den Frauen kam er auf keinen grünen Zweig", erzählt Natalie Gutgesell lachend, "seine Mutter Josepha diktierte ihm Werbebriefe für sie, und er war immer froh, wenn diese ablehnten."

Scheffels Homosexualität wurde zwar nie "offiziell" bestätigt, doch sie sei nahe liegend. Auch weitere amüsante Anekdoten finden Eingang in das gut 140 Seiten dicke Taschenbuch. So kann man unter dem Stichwort "Heidelberg" herzlich über einen ausgebufften und ausgeklügelten Streich Scheffels lachen, den er mit Kommilitonen einer älteren Dame spielte oder sich wundern, wie "flott die Vorhänge seines Zimmers abbrannten, nachdem er das Licht ein wenig hoch hielt" und mit seinem Halstuch in die Kerze geriet.

Im Jahre 1845 besuchte Scheffel auf der Durchreise von Heidelberg nach Berlin erstmals die Gegend rund um den Gottesgarten und lebte 14 Jahre später für zwei Monate auf Kloster Banz. In dieser Zeit verfasste er das Gedicht "Wanderfahrt", in dem er seine Sehnsucht ausdrückt, als fahrender Scholar durch die Lande zu ziehen. 1861 wurde es durch den Würzburger Valentin Becker vertont und ist seitdem als Frankenhymne bekannt.

Natalie Gutgesell: "Wege zu Scheffel", Mitteldeutscher Verlag

ISBN 978-3-96311-153-2, 10 Euro