Bamberg - Der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Josef Haslinger, hat deutliche Kritik am türkischen Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan geäußert. „Herr Erdogan hat sich mit dieser Aktion nicht unbedingt einen Gefallen getan“, sagte Haslinger am Donnerstag in Bamberg zum Auftakt der Jahrestagung des Schriftstellerverbands. Denn der Antrag der Türkei auf Strafverfolgung wegen Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten des ZDF-Satirikers Jan Böhmermann habe Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Es darf in einer demokratischen Gesellschaft keine privilegierten Meinungen geben.“

Böhmermann hatte Ende März in der ZDF-Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht vorgetragen, in dem er Erdogan mit drastischen Worten angriff. Merkel hatte die deutsche Justiz ermächtigt, gegen Böhmermann wegen Beleidigung Erdogans zu ermitteln - auf der Grundlage des Paragrafen 103 des Strafgesetzbuches, der die Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter unter Strafe stellt. Sie gab damit im Namen der Bundesregierung dem Antrag der Türkei statt.

„Die Türkei ist wesentlich weniger frei als Pakistan“, sagte der „Spiegel“-Journalist Hasnain Kazim bei einer PEN-Diskussion über Meinungsfreiheit in dem Land, in dem er drei Jahre Korrespondent war - nach mehreren Jahren in Pakistan. Kazim hatte die Türkei kürzlich verlassen müssen, weil seine Akkreditierung nicht verlängert wurde. Druck aus Ländern wie Deutschland stärke Verfolgten den Rücken, sagte Kazim. Zugleich führe das aber zu einer Verhärtung der Fronten.

In der Türkei sind dem PEN zufolge weltweit die meisten Autoren inhaftiert oder von Haft bedroht - nicht nur Journalisten, sondern auch andere Autoren. Junge kritische Schriftsteller würden in der Türkei nicht angeklagt wegen ihrer Literatur, sondern würden häufig dann belangt, wenn sie sich in Interviews äußerten, sagte Selma Wels vom deutschen Binooki-Verlag, der junge türkische Literatur verlegt.

Die Jahrestagung steht unter dem Leitspruch „Eine Demokratie ohne ein paar hundert Widersprechkünstler ist undenkbar“, einem Zitat von Jean Paul. Damit bezieht sie sich auf den Ursprung des PEN zurück: Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Verständigung zwischen Kulturen seien auch die Werte gewesen, die am Anfang des 1921 gegründeten Verbands standen, sagte Haslinger.

Zu Beginn der PEN-Jahrestagung erhielt ein Autor für seine politischen Gedichte den erstmals vom deutschen PEN-Zentrum ausgeschriebenen Kurt-Sigel-Preis für Lyrik: Daniel Falb (38). Seine Gedichte setzten Maßstäbe für die Qualität gesellschaftlich relevanter Poesie, wie die Jury ihre Entscheidung begründete. Sie sprengten alle herkömmlichen Erwartungen an Lyrik, sagte die Journalistin und Literaturkritikerin Dorothea von Törne in ihrer Laudatio. Falb veröffentlichte Ende 2003 seinen Debütband „die räumung dieser parks“, 2015 erschien der Gedichtband „CEK“.

Stifter der Auszeichnung, die mit 4000 Euro dotiert ist und alle zwei Jahre vergeben werden soll, ist der Frankfurter Schriftsteller Kurt Sigel. Das PEN-Mitglied machte sich als Autor von Romanen, Erzählungen, Gedichtbänden und von Büchern in hessischer Mundart einen Namen.

An Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) ging hingegen Kritik von Seiten des deutschen PEN. 7200 Autorinnen und Autoren aus elf Verbänden, inklusive des PEN, forderten am Freitag von Maas ein klares Bekenntnis zu fairen Konditionen für Berufskünstler. Der Gesetzentwurf zur Reform des Urheberrechts, den der Justizminister Mitte März vorgestellt hatte, werde den Erwartungen nicht gerecht, die er selbst geweckt habe: auf angemessene Vergütung und Verhandlungen auf Augenhöhe mit Vertragspartnern. Er manifestiere vielmehr die Machtlosigkeit der Kulturarbeiter gegenüber den „Großen“ der Branche, heißt es in Mitteilung des PEN. Die Abkürzung PEN steht für Poets, Essayists, Novelists.