Neuensee Rock mit mindestens drei R

Yannick Seiler,

Ein oberfränkisches Open Air mit all seiner Wärme, Liebe und Heimeligkeit. Doch eins mit Bands, die sonst in Paris, London oder New York gastieren.

 
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Neuensee - Was auf den ersten Blick wirkt, wie ein typisches Festival in der Region mit einer um die Ecke residierenden Brauerei am Ausschank, Hirschbraten auf Porzellantellern aus dem einheimischen Wirtshaus und mit der örtlichen Feuerwehr im Einsatz, stellt sich auf den zweiten Blick als etwas völlig anderes heraus: Ein hoch professionell organisiertes Festival mit international anerkannten Rockbands und einem Publikum, das aus halb Deutschland anreist.

Die wahre Kunst scheint darin zu liegen, beides unaufgeregt miteinander zu verbinden. Und dies gelingt den Organisatoren von "Rock im Wald" vortrefflich. Jahr für Jahr bildet eine Mischung aus jung und alt, aus den Nachbarorten heranfahrend und von weither anreisend eine perfekte Symbiose. Die "Turbojugend Pegnitztal" steht in trauter Runde unweit der ganzkörpertätowierten Berliner Szene-Jünger und unter Familien aus dem Ort, die einfach mal interessiert vorbei schauen. Jahr für Jahr ist dieses Festival der Rockmusik bereits Monate im Voraus ausverkauft. Und Jahr für Jahr überrascht einen die hohe Qualität sämtlicher Bands, die am Freitag und am Samstag den gepflegten Sportplatz von Neuensee beschallen. Dies betrifft ausdrücklich auch die regionalen, fränkischen Bands, die den jeweiligen Support-Slot besetzen. Mit Swedish Dead Candy aus London und den Black Mirrors aus Brüssel am Nachmittag und Elephant Tree, ebenfalls aus London, nach Mitternacht kamen am Freitag Bands zum Einsatz, die auf das Typischste repräsentieren, für was das "Rock im Wald" steht: gitarrenbetonte Rockmusik, die ihre stilistischen Eigenarten und Alleinstellungsmerkmale besitzt und diese auch offensiv nach außen trägt. Absolut eigen sind auch ASG aus Wilmington, North Carolina, die Stoner Metal mit leichter Black-Sabbath-Attitüde verbinden - und sich von den Fans dafür feiern ließen. Bestens ankommend, durften sich The Picturebooks aus Gütersloh als Publikumslieblinge sehen: Das Duo (Akkustikgitarre/Rumpf-Schlagzeug) setzt auf maximale Effekte - künstlerisch wie technisch - und kann damit echt was reißen. Die überwältigenden Reaktionen waren verblüffend.

Für die meisten der Anwesenden dürfte der Freitagsheadliner, Danko Jones aus Toronto, Kanada, ein guter alter Bekannter sein. Tourt der Musiker mit seinem Trio doch seit vielen Jahren geradezu exzessiv durch Deutschland. Band und Publikum machten das Set zu einem stimmungsvollen Höhepunkt, was nicht weiter verwundert, wenn man bedenkt, welch guter Entertainer Mister Jones ist. Und seine Ansage "This festival in this town is f...ing super cool, man", war ganz sicher ernst gemeint.

Zwei Lieder spielten Lowrider aus Schweden am Samstag nur, dann ließen sie ihre Gitarren verstummen - vorerst zumindest, denn sie mussten das. Der Boden der Snare, der kleinen Trommel des Schlagzeugs, war durchgerissen. Drummer Andreas Eriksson, hatte sich wohl von der frenetischen Stimmung der geschätzten knapp 2000 Besucher mitreißen lassen oder wie Sänger/Bassist Peder Bergstrand vermutete, zu viel Zeit im Fitnesstudio verbracht. Eriksson zerschlug ein Lied später noch eine weitere Trommel, die dritte hielt dann aber die restliche Stunde ihres Auftritts durch und allen Angriffen des Schlagzeugers stand. Stoner-Rock bei mehr als 30 Grad oberfränkischer Sommerhitze: Eingängige Riffs und Songs, wie geschaffen zum rhythmischen Kopfnicken. Das wärmt auf. Trotz dunkler Gewitterwolken am Himmel, blieb ein abkühlender Regenschauer leider aus.

Auch wenn das mehr als warme Wetter einige Festival-Besucher etwas mitnahm - zu den Publikumslieblingen am Abend standen sie wieder auf ihren dann tänzelnden Beinen. Aufwärmen hätten die Bands am Nachmittag die Menge eigentlich nicht mehr müssen. Die Festivalbesucher waren auch so absolut begeisterungsfähig. Verantwortlich dafür waren: Die Lichtenfelser Reggae-Musiker von Dubstyle FR Collective, die Punk-Songs auf dem Kontrabass spielenden Rusty Robber Legs, die bodenständigen Garage-Rock bietenden Dune Pilot, die noch bodenständiger rockenden Samavayo und die Funk-in-den-Rock-Einbauer Mothers Cake. Genauso wie bereits Malm und Sonic Beat Explosion am Freitag überzeugten.

Den später lauen und nun noch lauteren Sommer-Samstag-Abend eröffneten Mammoth Mammoth aus Australien. Die Gruppe um Sänger Mikey Tucker bot Hard-Rock, zu dem langhaarige Frauen und noch langhaarigere Männer im Takt ihre Köpfe wippen ließen. Tucker verbrachte fast eben so viel Zeit unter seinen Fans vor der Bühne wie auf deren Händen - auf der Bühne war er nur selten zu sehen. Der Mann, der in die Menge rief "eigentlich interessiert jeden nur der Sänger" und sein Band-Rest boten das was Rock’n’Roll aus macht: Energie, Spaß und sehr viel unangepasstes Verhalten.

Die wohl eingängigsten und gleichzeitig durchdachtesten Lieder brachten Greenleaf aus Schweden am Samstag auf die Bühne. Die schwere Musik, die sie aus ihren Instrumenten pressten und Sänger Arvid Jonssons Stimme waberten durch die schwüle Abendluft, schien über dem Festivalgelände zu schweben, bis erst der Applaus der Fans ihren Sound wieder aus der Luft wischte.

...die alsbald wieder von Zeal & Ardors bizarren Klängen gefüllt wurde. Das Projekt des Amerika-Schweizers Manuel Gagneux ist ziemlich ungewöhnlich: Er und seine Mitstreiter verbinden Gospel und (Black-)Metal. Und kamen damit bereits zum zweiten Mal gut bei "Rock im Wald" an. Den Abschluss der diesjährigen Auflage gestalteten dann Natraxas aus Griechenland. Da war der Sonntag längst angebrochen.

Interpretiert man die Stimmung und Begeisterung des Publikums an den zwei "Rock im Wald"-Tagen richtig, dann wird es wohl auch bei der 2020er-Auflage des Festivals eng werden mit den Tickets. Wer dann zu spät kommt, den bestraft das Leben.

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