Coburg - 20 Jahre Mauerfall - das denkwürdige Jubiläum wird in diesen Monaten landauf, landab begangen. Nicht nur ein Thema für Politiker und Historiker - nein auch Museen, Theater und Verlage nehmen sich des Jahrestages an.

Neben Romanen, Erzählungen, Essays und Biografien darf dieses Gedenken natürlich nicht verstreichen, ohne dass dazu auch ein Krimi erscheint.

Diese Marktlücke füllt Friederike Schmöe mit ihrem neuesten Werk. Die in Coburg geborene Autorin beschert ihren Fans seit Jahren spannende Lektüre. Zunächst war es die Bamberger Privatdetektivin Katinka Palfy, mit der Schmöe sich unter den Krimiautoren einen Namen machte. Nun legt sie - nach "Schweigfeinstill" - mit "Fliehganzleis" den zweiten Fall mit Kea Laverde vor.

Kea Laverde ist eine Ghostwriterin aus München, Ende 30, allein stehend. Ihre beste Freundin ist die 77-jährige Juliane, als Haustiere hält Kea sich die beiden Graugänse Waterloo und Austerlitz, ihr Verbündeter (und später auch ein bisschen mehr) ist Polizeihauptkommissar Nero Keller.

Kea Laverde erhält von Larissa Gräfin Rothenstayn den Auftrag, deren Lebensgeschichte aufzuschreiben. Hierfür reist Kea nach Unterfranken, das Schloss der Gräfin liegt in der Nähe von Würzburg. Larissa (Jahrgang 1940) wuchs in der DDR auf, arbeitete dort als Ärztin. 1973 unternahm sie ihren ersten Fluchtversuch, der jedoch verraten wurde und scheiterte. Zwei Jahre später versucht sie es erneut, und diesmal gelangt Larissa in den Westen. Nun will sie erzählend, berichtend ihr Leben aufarbeiten, doch Kea und Larissa kommen nicht weit: auf Larissa wird ein Mordanschlag verübt, den sie zunächst überlebt. Sie flüstert Kea noch zu: "Finden Sie Katjas Mörder."

Info-Verführung

Nun beginnt Keas Spurensuche im Leben der Gräfin Larissa, die zu einer Katja führen. Im Verlauf dieser Suche, die für Kea auch durchaus (lebens-)gefährlich verläuft, trifft sie die unterschiedlichsten Menschen: Fluchthelfer, Stasi-Leute, Ex-Bonzen, Opfer und Täter.

Friederike Schmöe breitet im Schnelldurchgang so mal eben DDR-Geschichte aus. Holterdipolter geht es um Spionage, um professionelle und ehrbare Fluchthelfer, um Bespitzelung, und sogar das Verschwinden des SED-Vermögens wird von Friederike Schmöe beleuchtet. Angesichts all der Fülle an Informationen kommt die Krimi-Handlung doch zeitweilig etwas zu kurz, zumal ja auch noch eine unerfüllte Liebe und ein Vater-Sohn-Konflikt mit untergebracht werden müssen. Friederike Schmöe erlag diesmal offenbar der Info-Verführung durch die Überfülle des ihr zur Verfügung stehenden Materials. Und dass dies in der Hauptsache eine Dissertation zur Geschichte der Fluchthilfe war, merkt man schon an so manchen dozierenden Abschnitten in "Fliehganzleis." Um dies ein wenig auszugleichen, ergeht sich Schmöe andererseits in (pseudo-)poetischen Abhandlungen, die in Sätzen kulminieren wie "Ich hörte mich selbst schreien ... Wie der Wind in der Arktis, der vor Sehnsucht heult." Oder "Der Himmel glänzte blau wie Muranoglas." Dies alles wird jedoch getoppt von: "Das Meer war ewig. Beinahe. Es war größer als alles, was dieses Leben sonst bot. Es ... konnte sich alles nehmen, ohne je zu geben." Wahnsinn! Das muss einem erst mal einfallen!

Den vielen Schmöe-Fans hier in der Region wird "Fliehganzleis" trotz seiner Schwächen sicher gefallen. Und man darf gespannt sein, welchen Themas sich die fleißige Krimi-Autorin als nächstes annehmen wird.

Friederike Schmöe: "Fliehganzleis". 327 Seiten, ISBN 978-3-8392-1012-3, Gmeiner-Verlag 2009. 11,90 Euro.