In früheren Theaterzeiten da war es gang und gäbe, dass die Theatertruppe eng mit einem Theaterautor zusammenarbeitete. Während schon die ersten Proben liefen, schrieb der Dramatiker nicht selten noch am letzten Akt. Kaum war die Tinte getrocknet, rissen die Mimen ihm die Rollen aus den Händen. Zeitgenössisches Theater gab es eben schon im Barock!

Genau in dieser Art von Teamwork wird derzeit in der Coburger Reithalle ein brisantes, spannendes Stück vorbereitet: „Immerwahr“ heißt es und es wird am 31. März seine Uraufführung erleben. Geschrieben hat es die Coburger Schriftstellerin Sabine Friedrich, die nach mehreren Romanen und Sachbüchern nun ihr erstes Schauspiel schuf. Es geht darin um die deutsche Chemikerin Clara Immerwahr (1870-1915), die als erste Frau an einer deutschen Universität einen Doktortitel im Fach Chemie errang. Sie heiratete den Chemiker und späteren Nobelpreisträger Fritz Haber. Nachdem dieser den ersten Giftgasangriff der Geschichte geleitet hatte, erschoss sich Clara.

Nachdem der Stoff gefunden und recherchiert war, entwickelte Sabine Friedrich gemeinsam mit der Schauspielerin Anja Lenßen den Dramentext. Dieser geriet lang, „viel zu lang“, wie Friedrich schmunzelt. In den Konzeptionsproben gemeinsam mit Regisseur Sven Ruppert wurde aus dem „Spielmaterial“, wie Friedrich das offen angelegte Stück bezeichnet, eine immer konzentriertere Fassung. Denn zu lange soll der Abend nicht werden, einerseits, um das Publikum nicht zu ermüden, zum anderen, weil das Stück durch eine einzige Schauspielerin gestemmt wird. Mehrere „Seitenarme“ der Handlung wurden für mehr Stringenz weggelassen, die Zahl der Figuren von 16 auf 12 verringert.

Zwölf Rollen

Auch im fortschreitenden Probenstadium wurde noch gefeilt. „Soll ich Euch was neues schreiben?“ – dieser Satz, so grinst Anja Lenßen, sei von der Autorin, die die Probenarbeit begleitet, regelmäßig zu hören gewesen. Nicht selten zog sich Sabine Friedrich zwischen Vormittags- und Abendprobe an ihren Computer zurück und brachte Abends eine neu geschriebene Szene mit. „Es ist toll, wenn der Autor dabei ist und selbst etwas neu schreibt anstelle des Regisseurs. Dann ist das Stück immer noch das Stück und kein Stückwerk“, erklärt Sven Ruppert. Im Gegensatz zu anderen Produktionen sei es hier möglich, dass der Autor erklären könne, was er mit einer bestimmten Szene meint. Doch auch die Autorin ist von der Probenarbeit begeistert: „Es macht Spaß, an diesem Prozess mitzumachen.“

Auch Anja Lenßen schätzt das kreative Team-Work: „Es ist mein erstes Einpersonenstück, da hatte ich Respekt davor! Da ich die Unterstützung von meinem Team bekomme, kann ich mich voll auf meine Aufgabe konzentrieren und beim Spielen meiner eigenen Intuition folgen.“

Obwohl nur eine Schauspielerin agieren wird, ist in „Immerwahr“ nicht nur ein Monolog zu hören. Anja Lenßen muss in zwölf verschiedene Rollen schlüpfen, von der Schriftstellerin Carla, die heute ein Buch über Clara Immerwahr schreibt und versucht, sich die historischen Personen zu imaginieren. Bis hin zu Clara, ihrem Mann Fritz Haber und den Professoren um 1900. Häufig spielen sich die Szenen in dialogischer Form ab, sei es als Telefonate, oder auch, indem Lenßen zwei Figuren gleichzeitig spielt.

Damit der Zuschauer immer im Bilde ist, in welcher Zeit man sich befindet, sorgt die Regie durch szenische Mittel wie Licht und Ton für Differenzierung.

Inhaltlich geht es um zwei Menschen, die scheitern. Clara will als Frau den Spagat zwischen Beruf und Familie hinkriegen, Fritz Haber als Jude will durch seinen Patriotismus als vollwertiger Deutscher akzeptiert werden. Beides gelingt nicht. Die moderne Figur der Carla reflektiert das historische Geschehen und zieht für sich eine Konsequenz.

„Immerwahr“ von Sabine Friedrich. Regie: Sven Ruppert, Bühnenbild: Anja Quentin. Es spielt: Anja Lenßen. Uraufführung am 31. März. Weitere Vorstellungen: 3., 4., 5., 8., 9., 10., 11., 14., 18., 19. und 22. April.