Wunsiedel - Aus ganz Europa und den USA hat Birgit Simmler Musical-Schaffende nach Wunsiedel gebracht. In einem dreitägigen Symposium in der Talstation der Festspiele diskutieren sie mit der Künstlerischen Leiterin der Luisenburg über die Perspektiven ihres Genres. Alle sind des Lobes voll über Simmlers Initiative: Es ist der erste internationale Kongress zum Thema überhaupt in Deutschland.

Die Tagung stößt Ideen an, die sich auch auf die Wunsiedler Festspiele positiv auswirken können. Die Teilnehmer zeigen sich offen für mehr Kooperation und neue Koproduktionen, finden Simmlers Vorschlag einer Autoren- und Komponisten-Werkstatt gut und machen sich gegenseitig Mut. "Das Musical hat kein Imageproblem beim Publikum", sagt eine Teilnehmerin. "Das Musical hat ein Imageproblem bei den Kollegen der Hochkultur. Diesem Problem kann man nur begegnen mit Selbstbewusstsein."

Der Berliner Professor für Musical-Geschichte, Dr. Wolfgang Jansen, pflichtet ihr bei: "Wenn wir ernst genommen werden wollen, müssen wir unsere eigene Messlatte sehr hoch legen." Der Unmut darüber, dass Musical in Deutschland nicht als Kunst wahrgenommen wird, sondern lediglich als bloße Unterhaltung, als Tingeltangel gar, ist im Auditorium deutlich zu spüren.

Dabei ist das Musical nicht der Ausverkauf der Kultur, sondern die Zukunft des Theaters. Davon sind die Teilnehmer überzeugt. Modernes Musiktheater bereichere die Kultur. Simmler sagt zur Begrüßung, lebende Autoren mit ihren neuen Stücken hätten ein Recht, gespielt zu werden: "Sie sollten die Chance bekommen, die Klassiker künftiger Generationen zu werden."

Sie sei bereit, Autoren und Komponisten über mehrere Jahre hinweg zu finanzieren, wenn sie neue Stoffe für die Luisenburg entwickeln. Bei einem Budget von 400 000 Euro für ein Musical könne sie dem Autoren-Team bis zu 60 000 Euro in mehreren Tranchen zahlen. "Sie sind hier, um mir zu helfen, diese Menschen zu finden", sagt sie zu den Symposiums-Teilnehmern. Leichter zu bewerkstelligen sei das natürlich, wenn mehrere Theater zusammenlegen. "Ich bin offen für Koproduktionen." Simmlers Ideen findet Professor Jansen "ausgesprochen bemerkenswert". Wie in der Anfangszeit des Musicals gehe es darum, eine Infrastruktur zu schaffen, notfalls auch gegen den Widerstand des etablierten Theaters. "Nichts von dem, was wir heute haben, war selbstverständlich. Es brauchte Ideen, Mut, Ausdauer und sehr viel Geld. Und vor allem Leute, die für das Musical brennen." Diesen Machern müsse man eine Plattform bieten, um zusammenzufinden. Autoren müssten Komponisten treffen, Produzenten müssten frühzeitig von Stück-Entwicklungen erfahren, Regisseure müssten um die Stoffe wissen, die gerade bearbeitet werden.

Norbert Hunecke, Vorstandsmitglied der Deutschen Musical-Akademie in Berlin, kann sich vorstellen, dass die Akademie diese Aufgabe übernimmt und ein entsprechendes Netz knüpft. Allerdings arbeitet sie derzeit komplett ehrenamtlich. "Dann legen wir doch alle zusammen und finanzieren eine hauptamtliche Stelle", sagt Simmler. "Ich bin dabei."

Sie selbst suche interessierte und leidenschaftlich arbeitende Autoren für regionale Stoffe. Spannende Geschichten gebe es zuhauf. So könne sie sich ein Musical über eine Flucht durch den Eisernen Vorhang vorstellen. Oder eine dramatisierende Vertonung der Familiengeschichte der Porzellan-Dynastie Rosenthal. Dass regionale Themen als Musical-Stoff funktionieren, habe "Zucker" bewiesen. Ein Autor aus dem Publikum sagt, ihm fehle die Inspiration, wenn er nur für die Schublade schreibe. Wenn er aber die Bühne schon vor sich sehe, auf der sein Stück spielen werde, werde er schnell kreativ. "Es ist ein Geschenk für jeden Autor, wenn er diese Option hat", sagt er. Birgit Simmler greift das auf: "Dann drehen wir doch den Spieß um: Statt des üblichen Wegs, mit einer Stück-Idee ein Theater zu suchen, das das spielt, gehen wir jetzt auf die Suche nach Teams, die uns maßgeschneiderte Stücke schreiben."

Peter Feigel, Musical-Supervisor der Staatsoperette Dresden, lobt zum Schluss: "Ich finde die Ideen, die hier formuliert worden sind, toll." Er hoffe, dass die Saat, die in Wunsiedel gesät wurde, aufgehen möge.