Der Schriftsteller Uwe Tellkamp hat seine im März geplante Lesereise in Norddeutschland nach Angaben des Eichthal-Verlags abgesagt. «Der Autor Uwe Tellkamp fühlt sich nach den Vorkommnissen bei der Diskussion in Dresden momentan nicht in der Lage, Lesungen vor Publikum durchzuführen», teilte der Verleger der Edition Eichthal, Jens-Uwe Jess, am Donnerstag mit. Es sei nicht gelungen, diesen Entschluss rückgängig zu machen. «Herr Tellkamp sieht eine nicht unerhebliche Gefahr, dass seine Lesungen zweckentfremdet und von Kräften gekapert werden, die mit Literatur wenig oder nichts zu tun haben.»

In einer Diskussion mit dem Lyriker Durs Grünbein in Dresden hatte der Schriftsteller Nähe zur AfD und der ausländerfeindlichen Pegida gezeigt. Mit Äußerungen über Flüchtlinge und angeblich drohende Repressionen gegen Andersdenkende in Deutschland löste Tellkamp dabei Kritik und Irritation aus («Die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern, über 95 Prozent.»)

In Schleswig, Kiel, Lübeck und Hamburg sollte der Dresdner Autor aus seinem Werk «Die Carus-Sachen» lesen, das bei Edition Eichthal erschienen ist, sowie aus «Lava», der noch unveröffentlichten Fortsetzung von «Der Turm» (2008).

«Tellkamp ist als Autor hochwichtig. Und es ist überhaupt nicht notwendig, dass ich in allen Teilen seiner Meinung bin», sagte Jess der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg. In den «Carus-Sachen» schildert der studierte Arzt Tellkamp nach Angaben des Verlags im Rahmen einer Vater-Sohn-Beziehung das Leben und Werk seines Dresdner Vorgängers, des Mediziners, Schriftstellers und Naturphilosophen Carl Gustav Carus. Die Versöhnung von Natur und Technik sei ebensowichtig wie die Meinungsfreiheit, ergänzte Jess.

Der Suhrkamp Verlag hatte sich nach dem Streitgespräch in Dresden von Uwe Tellkamp distanziert. Rückendeckung bekam der Schriftsteller von seiner Kollegin Monika Maron. Das Verhalten des Verlags sei eine «Ungeheuerlichkeit», sagte Maron im Deutschlandfunk. «Ein Verlag ist die einzige Andockstation für den Autor. Der gehört nur zu seinem Verlag und von dem erwartet er Beistand und auch Schutz, aber nicht Verrat.» In ihren Augen habe der Suhrkamp Verlag seinen Autor verraten, und sogar ohne Not, weil kein Mensch davon ausgehe, dass ein Autor die Meinung seines Verlages repräsentiere.

Tellkamp habe eine Diktion, die ihr nicht aus dem Herzen spreche, so Maron. «Aber ich muss sagen, ich habe mir das zweimal angesehen, weil ich auch was darüber geschrieben habe. Ich habe bis auf diesen einen Satz mit den 95 Prozent und noch eine Kleinigkeit, die ich anzumerken hätte, nichts gefunden, was nicht ohnehin überall mittlerweile auch in Zeitungen diskutiert wird. Mit anderen Worten: Ich verstehe die Aufregung nicht.»