Coburg - Fünf aus einem Holz. Die funken auf einer Frequenz, die verstehen sich blind, die haben sich lange gesucht und für immer gefunden. Möchte meinen, wer den "Club der toten Dichter" (CdtD) live erlebt, zumal wenn die Begegnung so hautnah ausfällt wie am Samstagabend in der Coburger Sonderbar, wo dem Zuschauer kein Lächeln, kein Zwinkern, kein Fingerzeig entgeht. Nichts kommt ihm da weniger in den Sinn als das kalte Wort Projekt, aber so heißt das wohl, was Reinhardt Repke seit sechs Jahren mit heißer Hingabe und beträchtlichem Erfolg treibt: Er holt die Großpoeten vom Podest - Heine als ersten -, bettet ihre Lyrik in maßgefertigte Balladen - nennen wir es ruhig kultivierten Pop -, und zelebriert diese Hommage mit jeweils anderen Musikern.

Keimzeit-Sänger Norbert Leisegang stand im Rampenlicht, als der Club vor zwei Jahren mit seinem Wilhelm-Busch-Programm erstmals die Sonderbar bezauberte. Weil's nicht nur dem Publikum so wunderbar gefiel, kehrte Repke mit neuem Team und neuem Programm nun wieder ein in der wohl kuscheligsten Location ihrer 60-Städte-Tour. Und wieder waren sie hin und weg, die Coburger, von der beseelten Musikalität, mit der der Komponist und Gitarrist Repke Poesie in Klang verwandelt, von der menschlich-musikalischen Harmonie, die diese temporäre Band ausstrahlt - und von der Stimme, die Rilkes blühende Sprache so sinnlich, klar und einfühlsam in "Eines Wunders Melodie" (so der Programmtitel) verwandelt: Katharina Franck, Sängerin und Kopf der "Rainbirds", ist die erste Frontfrau in der Geschichte des CdtD - doch drängt sie sich bei aller vokalen Strahlkraft keineswegs in den Mittelpunkt.

Vom ersten Ton ("Die Erblindende") bis zum letzten ("Schlaflied") fasziniert und berührt der Teamgeist dieser exquisiten Musiker, die - und das ist keine Übertreibung - mit Leib und Seele in die Repke-Rilke'schen Gefühlswelten eintauchen: Andreas "Spatz" Sperling im wahren Tastenrausch, Tim Lorenz eins mit seinem Schlagzeug und Markus Runzenheimer, den es körperlich in die tiefsten Bassregionen zieht. Gemeinsam bewahren sie die Romantik vor dem Zuckerguss, die Melancholie vor dem Kitsch und die Schwermut vor dem Pathos. Dazu trägt der Club-Chef als verschmitzter Moderator bei, dessen kundige Kommentare der Rilke-Forschung womöglich ganz neue Impulse verheißen. Wer ahnte schon, dass wir das große Oeuvre des Genies der Weitsicht eines gewissen Sigmund Freud verdanken: "Rilke, Sie sind Dichter. Um Gottes Willen, behalten Sie Ihre Neurosen!".