Coburg Vestestadt wird Festspielstadt

Im Jubeljahr 2019 startet das Landestheater die "Sommerfestspiele Ehrenburg" mit Action und Romantik im Schlosshof. Die Spielzeit bietet Opern-Hits und Überraschungen.

 
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Coburg - "Very british" verspricht nicht nur Mark McClains großer Ballettabend zu werden: Durch die ganze Spielzeit 2018/2019 des Coburger Landestheaters zieht sich ein blau-weiß-roter Faden - wie sollte es auch anders sein im Jubeljahr, in dem die Welt im Allgemeinen und Coburg im Speziellen die 200. Geburtstage von Prinz Albert und seiner Gemahlin Queen Victoria begehen.

Zur Feier des königlichen Jubiläums macht der designierte Intendant Dr. Bernhard F. Loges die Veste- sogar zur Festspielstadt: Wo seinerzeit die Royals residierten, gehen ab Mai 2019 erstmals die "Sommerfestspiele Ehrenburg" über die Open-Air-Bühne. "Robin Hood" wird im Innenhof familientaugliche Abenteuer bestehen, romantische Sommerabende verspricht die nagelneue Bühnenfassung des Hollywood-Blockbusters "Shakespeare in Love" ("Kitschig ohne Ende. Aber so soll es sein!", schmunzelt Schauspieldirektor Matthias Straub), geheimnisvoller Grusel erwartet die Ballettfans im Tanzkrimi "Rebecca" frei nach Hitchcock und das Philharmonische Orchester wird bei Serenadenkonzerten auch britische Akzente setzen.

Für Straub, der sein Ensemble bereits im Burghof der Veste die Degen kreuzen ließ (2012 in "Cyrano de Bergerac") und viele Theaterfans erfüllt sich mit den Freilicht-Festpielen ein lang gehegter Wunsch: "Das kann ein Knaller werden", meint der Schauspielchef, der mehr als eine Eintagsfliege verheißt: "Hoffentlich können wir das die nächsten hundert Jahre weiterführen".

Woraus nicht zwingend eine Prognose für die Dauer der Generalsanierung gelesen werden sollte. Ihr ist das Sommerfestspiel letztlich zu verdanken, das nach ursprünglicher Planung jenes "Frühsommerloch" füllen sollte, das entstanden wäre, wenn das Landestheater zwecks Generalsanierung bereits im April 2019 geschlossen worden wäre.

Spekulationen über den nun zu erwartenden Zeitpunkt des Umzugs in den geplanten "Globe" am Güterbahnhof ließ sich kein Mitglied der Theaterleitung bei der Spielplan-Pressekonferenz entlocken: "Wir wollen den Sachverständigen nicht vorgreifen", erklärte der kaufmännische Direktor Fritz Frömming, der die notwendige Flexibilität seiner Mannschaft auf den Punkt brachte: "Wir fliegen das Ding auf Sicht".

Entsprechend kompliziert gestaltete sich die monatelange Konstruktion des Spielplans für eine Spielzeit, die nun doch von September bis Juli dauern wird und zwar kein Motto, so doch eine neue Handschrift trägt: Musiktheater des 20. Jahrhunderts liegt Dr. Bernhard F. Loges besonders am Herzen. "In der ganzen Bandbreite der Musiksprachen", wie er vorsorglich betont. Und die reicht von Benjamin Brittens erster Oper "Peter Grimes" (mit dem Coburger Parsifal Roman Payer in der Titelrolle) über Paul Hindemiths satirische Oper "Neues vom Tage" (mit Koloraturarie in der Badewanne) bis zu Eduard Künnekes bissiger Operette "Der Vetter aus Dingsda".

Gerahmt wird die "Indoor"-Saison von zwei Bühnen-Klassikern: Mozarts "Zauberflöte" eröffnet den Premierenreigen Ende September, Bizets "Carmen" rundet ihn im Juni ab. Kora Pavelic singt hier die Titelpartie - und wird erstmals auch im Musical zu erleben sein: in "Into The Wood" von Stephen Sondheim. Inszenieren wird dieses moderne Märchen der international gefragte Regisseur Joan Anton Rechi, der neben dem gleichermaßen reputierten Alexander Müller-Elmau (der "Carmen" inszeniert) eine "Regie-Konstante" in den nächsten Jahren werden soll. Daneben setzt Loges auch auf junge Regie-Entdeckungen wie Philipp Westerbarkei, der im Team mit Ausstatterin Tatjana Ivschina eine poetische "Zauberflöte" erwarten lasse.

Inhaltlich betont Loges die künstlerische Auseinandersetzung mit aktuellen Fragen und Konflikten. So ist das erste Schauspiel der Spielzeit eine Parabel auf die Verrohung der Gesellschaft in Zeiten wirtschaftlicher Not: "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" nach dem Buch von Horace McCoy. Matthias Straub setzt in seiner Inszenierung einmal mehr auf den bühnenerfahrenen Coburger Chor "Unerhört", der unter Antoinetta Bafas' Leitung nicht nur die Bühnenmusik beisteuern wird. Die Perversionen des Kapitalismus zeigt das Schauspiel "Masse Mensch Macht", das der Autor Stephan Kaluza aus seinen beiden Stücken "30 Keller" und "3D" zu einer "Coburger Fassung" vereint hat, die er selbst inszeniert. Eine gebürtige Coburgerin wird mit Anton Tschechows "Drei Schwestern" ihre Regie-Debüt in der Heimat geben: Karin Drechsel, freie Regisseurin und Dozentin u.a. am Mozarteum Salzburg, wird das tragikomische Gesellschaftsporträt womöglich mit lokalen Bezügen versehen, deutet Straub an.

Den viel vernommenen Herzenswunsch nach einem "richtigen Weihnachtsmärchen" erfüllt der Schauspieldirektor mit "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel" nach dem überaus beliebten Märchenfilm - auf dessen Melodien die Fans nicht verzichten müssen.

An das junge Publikum wendet sich auch das Tanztheaterstück "Die Geschichte vom Fuchs, der den Verstand verlor" nach dem preisgekrönten Bilderbuch von Martin Baltscheid, mit dem das Ballettdirektor Mark McClain in der Reithalle ein Thema aufgreift, das Menschen aller Generationen berührt: Demenz.

Der erste große Ballettabend der Spielzeit trägt "Drei Farben", sprich die Handschriften dreier Choreographen: Mark McClain, Tara Yipp und Niko Ilias König, der lange Jahre in der Coburger Compagnie tanzte.

Auf einschneidende personelle Wechsel müssen sich weder Ballettnoch Schauspielfans einrichten. Etliche neue Gesichter und Stimmen gibt es jedoch im Musiktheater: Lediglich Kora Pavelic, Michael Lion und dirk Mestmacher bleiben. Neu ins Solisten-Ensemble kommen Laura Verena Incko (Sopran), Dimitra Kotidou (Sopran), Emiliy Lorini (Mezzo), Francesca Paratone (Sopran), Olga Shurshina (Sopran), Peter Aisher (Tenor), Bartosz Araszkiewicz (Bass) und Marvin Jonathan Zobel (Bariton).

Stabil bleiben, wie Fritz Frömming anmerkte, die Eintrittspreise - und zur Freude des kaufmännischen Direktors auch die Sponsoren: Die Brose GmbH und die VR-Bank unterstützen weiterhin das Coburger Landestheater.

Ein vermeintlicher Knüller zum Prinz-Albert-Jubiläum wird übrigens nicht ganz so groß ausfallen, wie es aus der Gerüchteküche verlautete: Ein Gastspielaustausch mit dem Royal Philharmonic Orchestra ist laut Loges keineswegs im Gespräch ("die kriegen wir gar nicht unter"). Doch gemeinsame Konzerte mit der Royal Choral Society, einem bedeutenden Londoner Amateurchor, durchaus. Der 8. Juli 2019 in St. Moriz ist schon vorgemerkt.

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