Die moderne Kunst kam so richtig in Fahrt durch den Franzosen Marcel Duchamp (1887 bis 1968). Nachdem er im Herbst 1912 eine Luftfahrtschau in Paris besucht hatte, verkündete er, der bis dahin Bilder gemalt hatte, voller Begeisterung für die dort präsentierten technischen Innovationen: "Die Malerei ist am Ende. Wer kann etwas Besseres machen als diese Propeller?" Im Jahr darauf stellte er ein "Fahrrad-Rad" vor - ein "Objet trouvé" (gefundenes Objekt) beziehungsweise "Readymade": Es handelte sich um einen Alltagsgegenstand, den er nahezu unverändert zum Kunstwerk erklärte. 1914 ließ Duchamp einen "Flaschentrockner" folgen, 1917 in New York dann das skandalträchtige Objekt "Fontäne": Ein handelsübliches Urinal stand, um 90 Grad gekippt, auf einem Sockel - als wär's ein Stück aus der Sparte Bildhauerei.

Die Aufregung war groß. Zu Recht. Denn die "Fontäne" erwies sich als Schlüsselwerk der Moderne. Duchamp stellte damit den herkömmlichen Kunstbegriff radikal infrage. Als "Gegenkunst" sah er seine Arbeiten an. Er wollte den konventionellen Geschmack kritisieren und zum Nachdenken darüber anregen, welchen Sinn die Kunst überhaupt habe. Viele Kollegen griffen dies mit Leidenschaft auf. Die Folge: Unaufhaltsam nahte das Ende des sogenannten Schönen in der Kunst.

Duchamps Readymades sind wohl auch schuld daran, dass Betrachter moderner Kunst häufig zu der Überzeugung gelangen: "Das kann ich auch." Aber freilich würde ihnen, wenn sie es tatsächlich könnten, nur eine Nachschöpfung gelingen. Ein Plagiat, eine Fälschung also. Worauf es jedoch ankommt, ist, Ideen zu haben. Ebendarum können Kunstfälscher keine Künstler sein: Weil sie selber keine Ideen haben, klauen sie welche. Vor knapp 20 Jahren sah der Autor dieser "Skizzen" eine "Kunstausstellung" von Konrad Kujau (1938 bis 2000), der 1983 durch die Fälschung der Hitler-Tagebücher berühmt geworden und wegen Betrugs ins Gefängnis geraten war. Er hatte tatsächlich einst Kunst studiert - und konnte malen. Er konnte malen wie Spitzweg und Nolde, wie Chagall und Klimt, wie Dalí und Picasso. Aber wenn er nicht im Stil von Berühmtheiten malte oder gar deren Bilder kopierte, um sie für echt auszugeben, dann taugten seine "Werke" so gut wie nichts. Eine "Kujau-Handschrift" vermochte er nicht zu entwickeln.

Kujau und andere hochbegabte Kunstfälscher widerlegen zumindest teilweise die weitverbreitete Absicht, dass Kunst von Können komme. "Kunst kommt nicht von Können" heißt tatsächlich ein Buch - das Wort "nicht" im Titel ist rot unterstrichen -, das 1976 als eines der ersten vom Institut für moderne Kunst Nürnberg herausgegeben wurde. Sein Autor, der Galerist Hans-Jürgen Müller, unternahm darin einen Streifzug durch die Sechzigerjahre und thematisierte "die Schwierigkeiten beim Umgang mit zeitgenössischer Kunst". Über bahnbrechende neue Kunstströmungen informierte sein Buch, das den Leser dazu verleiten sollte, Kunst neu zu sehen und zu überdenken. Müllers zentrale These: Kunst komme weniger von Können als von Erfindung.

Keinesfalls seien handwerkliche Fähigkeiten ein Beweis für künstlerische Qualität. Wer nach dem handwerklichen Können frage, habe sich den Zugang zur Kunst im Grunde schon verbaut.

Es gibt Schöpfer abstrakter - genauer gesagt: nicht gegenständlicher - Bilder, die auf die Frage, ob sie denn in der Lage seien, eine menschliche Figur oder einen Gegenstand gut wiedererkennbar abzubilden, die Antwort geben, das wüssten sie gar nicht, denn sie hätten es niemals probiert, es interessiere sie einfach nicht. Sie hätten etwas ganz anderes im Sinn.

Und der oft mit dem Zufall arbeitende Maler Diet Sayler, der als Professor an der Nürnberger Kunstakademie unterrichtet hat, pflegt jenen, die einwenden, das könnten sie auch, mit sanfter Ironie zu entgegen: "Ja freilich, das können viele. Aber nur wenige haben Zeit."