Ahorn - "In Nürnberg kennt den jeder!", sagte Edith Gellner-Seemann, Organisatorin des Kleinkunstwinters 2018 im Schorkendorfer "Schlupfwinkel", als sie Helmut Haberkamm vorstellt. Spätestens jetzt also kennen auch die Coburger den Autor, Rezitator und Liebhaber der Fränkischen Mundart - sofern sie nicht schon längst vertraut sind mit dem Line-up des "Edzerdla"-Mundart-Festivals in Burgbernheim.

Zu seiner Lesung hatte Helmut Haberkamm eine Auswahl seines vielseitigen Schaffens mitgebracht, dessen tiefster Kern stets Franken heißt. Franken, das ist zunächst der Aischgrund, wo er aufgewachsen ist, bevor das Studium der Anglistik, Amerikanistik und Germanistik der beengten Welt des mittelfränkischen Bauernhofs eine Art Draufsicht bescherte. Genährt durch eine ausgeprägte Erzählkultur innerhalb der Familie führte dies zur Erkenntnis, dass diese Wurzeln Schätze sind, die es unbedingt zu hegen gilt.

Erschienen ist jüngst der Roman "Das Kaffeehaus im Aischgrund", eine halb fiktive, halb tatsächliche Geschichte des Bauernsohnes Michael Wegmann, der nach Amerika auswandert, als gereifter Mann wieder in seinen fränkischen Geburtsort zurückkommt und mitten in der Provinz ein Café eröffnet.

Den "Gräschkurs Fränkisch" gab es im Anschluss. Helmut Haberkamm dozierte über die "fränkische Aufweichung" und über eine Sprache, die "gegneded wern ko wie ein Deich", über ein "qualliges L" und über Rätsel, die das Fränkische dem bedauernswerten Nichteingeweihten aufgibt. Der kann nur raten, was ein "Dunstgreis" ist oder die "dragischen Müden" sind - und ob der "Balast" nun ein prächtiges Gebäude oder eine Erschwernis bedeutet oder ob mit der "Begleidung" nun ein Textil oder tatsächlich eine Begleitung gemeint ist.

Hinzu kommt eine schier unermessliche Fülle an Spezial-Vokabular. "Gogern" bedeutetet, in etwas hineinzureden, es kann aber auch etwas völlig anderes sein. So ist ein "Eisabahngogerer" jemand, der sich ausgiebig mit dem Thema Modellbau beschäftig. Ob "Waf'n", "Brass", "Gfredd", "kobberneggisch" oder "ficherlant" - die Liebe von Helmut Haberkamm zum Fränkischen äußert sich sogar gedruckt auf Bäckertüten. Er ist begeistert von den knallharten Unterschieden zwischen b und b, zwischen d und d, von der Fülle an Verkleinerungsformen, die im Fränkischen wie selbstverständlich über das Dingliche hinauswabern in den Bereich der Adverbien und Partikel (erzerdla, soderla), in Grußformeln (Adela) und sogar ins Transzendentale reichen (Ach Gotterla!).

Satzbau und Grammatik, ein eigener Konjunktiv - darüber gerät Helmut Haberkamm ins Schwärmen. Es sind Sätze, die anfangen mit "Mei Vadder sei Freind seiner Fraa ihr Audo ..." oder "Ich kaferts, wenn ichs secherts", die ihm unbedingt schützenswert erscheinen.

Helmut Haberkamm verschließt aber nicht die Augen vor Worten und Zeiten, die weder lustig noch schön waren.

Wenn jemand scherzhaft einen "Bolandi" zur Unterstützung braucht, dann meint er im Grunde spottend den Polenta-essenden, norditalienischen Saisonarbeiter, der jede Arbeit angenommen hat. Ernsthaft und eindrücklich ist die Poesie Helmut Haberkamms, der in sein Gedicht vom "Wiechergaul" (Schaukelpferd) einhundert Jahre deutsche Geschichte packt und den die Geschichte der von Nazis ausgepeitschten Zwangsarbeiter während eines Gottesdienstes in seinem Heimatdorf Dachsbach bis heute nicht loslässt. Die Täter? "Ganz normale Leud!", so Helmut Haberkamm.

Schmerz und Lachen, Trauer und Komisches, sie liegen nahe beieinander an diesem Abend. Und: Ohne den Begriff Heimat auch nur einmal zu strapazieren, drehte es sich im Grunde um nichts anderes.