Er las in Lichtenfels und Kronach, vor Schülern und zum guten Schluss in der voll besetzten Coburger Buchhandlung Riemann. Auf deren Einladung war der Romancier Tilman Röhrig zu Gast in der Region. Und er wird heute, Samstag, seine geneigte Leserschaft im eigens gecharterten Bus auf eine Lesereise zu den Orten begleiten, wo sein neuer Roman „Riemenschneider“ spielt. In Würzburg und Volkach macht das literarisch und kunsthistorisch interessierte Publikum Station, um die steinernen und hölzernen Bildnisse des mittelalterlichen Bildschnitzers Tilman Riemenschneider in Augenschein zu nehmen und der Lesung des Roman-Autors zu lauschen.

Doch zurück in die gute Stube der Coburger Lesekultur, zu Riemann am Markt: Hier berichtete der 1945 geborene, in Köln lebende Schauspieler und Schriftsteller, wie er drei Jahre lang an seinem Riemenschneider-Roman gearbeitet hat. Natürlich wollte das Publikum wissen, wie viel von der Liebesgeschichte zwischen Riemenschneider und „seiner“ Magdalena wahr ist, die ihm nackt Modell steht und dabei einen Skandal in der mittelalterlichen Gesellschaft auslöst.

„Ich habe alle historischen Quellen zu Riemenschneider vorliegen gehabt. Aber ich bin kein Historiker, sondern Schriftsteller geworden“, grinst Röhrig. Als Tilman, der Schreiber, hat er die „weißen Flecken“ in der Biografie Tilman Riemenschneiders mit Leben gefüllt. Dazu gehört die erfundene Magdalena. „Weil die Eva am Portal der Marienkapelle so wenig dem damaligen Frauentyp entspricht“ interpretiert Röhrig sie als Geliebte und Seelenverwandte des Bildhauers. Im Roman begleitet Magdalena Riemenschneider als Magd ein Leben lang, doch wird die Liebe aus Standesgründen erst spät im hohen Alter vollzogen.

Unbefriedigend war für Röhrig das, was die Quellen über Riemenschneiders Rolle während des Bauernkriegs sagen. Er glaube nicht, dass Riemenschneider gemeinsame Sache mit den Aufständischen gemacht habe, weil die Bauern als erstes die Bildnisse aus den Kirchen geholt und zerstört hätten. Röhrig glaubt, dass das Gerücht vom Sturm der Bauern auf Würzburg schon lange vor der entscheidenden Ratssitzung an Riemenschneider herangetragen wurde und stellt das auch in seinem Roman so dar. Eine Datumsverwechslung habe das in der Geschichtschreibung dann anders aussehen lassen. Gleichwohl: Wie viele andere Würzburger Bürger wurde Riemenschneider inhaftiert und gefoltert und schließlich seiner wirtschaftlichen Existenz beraubt.

Röhrig zeichnet seinen Roman-Riemenschneider mit mitmenschlichen, hilfsbereiten Charaktereigenschaften. Die Einfühlsamkeit leitet Röhrig aus den fein gestalteten Figuren Riemenschneiders ab, aber auch aus Berichten, wonach Riemenschneider als Ratsherr zum Beispiel Brennholz an Arme verkaufte.

Mit seiner sprachlich unterhaltsam gestalteten Lesung führte Tilman Röhrig neben Riemenschneider und Magdalena auch die weiteren Hauptfiguren wie den bösartigen Spielmann Hans Bermeter, den Bauernführer Götz von Berlichingen und auch Martin Luther ein. Einige Besucher gaben ihrem Wunsch Ausdruck, dass der Roman auch als Hörbuch – vom Autor selbst gelesen – erscheinen möge.