Wien Wiener Neujahrskonzert mit Andris Nelsons

Von Fabian Nitschmann,

Dirigent Andris Nelsons ist sein Debüt bei einem Wiener Neujahrskonzert geglückt. Der Lette gab sich vor dem Konzert demütig und überzeugte dann mit einem gefühlvollen und spritzigen Dirigat. Die Überraschung des Tages spielte er gleich selbst.

 
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Und dann steht Andris Nelsons plötzlich mit einer Trompete am Dirigentenpult. Er spielt nur kurze Einlagen, doch die Überraschung gelingt dem 41 Jahre alten Letten, der zum ersten Mal das Neujahrskonzert in Wien dirigiert. Zuvor hatte Nelsons bereits gefühlvolle Tänze vor den Wiener Philharmonikern vollführt, immer wieder schloss er bei ruhigen Passagen genießend die Augen.

Durch die Märsche und Polkas führte er das Orchester zackig, besonders sanft dann durch Stücke wie «Wo die Zitronen blüh'n» von Johann Strauss (Sohn). Mit seiner Gestik und Mimik machte der Kapellmeister des Gewandhausorchesters Leipzig stets deutlich, mit wie viel Emotion er das empfindet, was ihm die Wiener Philharmoniker da präsentierten. Der Lohn: Kräftiger Applaus für ein gelungenes Debüt.

Das Neujahrskonzert stand dabei im Zeichen zahlreicher Jubiläen. Mit den «12 Kontretänzen», einem Höhepunkt der Vorstellung am Mittwoch, wurde Ludwig van Beethoven geehrt - der Ausnahme-Komponist wäre 2020 250 Jahre alt geworden. Die «Liebesgrüße» (Josef Strauss) sendete das Orchester an die Salzburger Festspiele, die dieses Jahr den 100. Geburtstag feiern und mit denen die Philharmoniker eng verbunden sind. Obendrein feiert auch noch das Gebäude des Wiener Musikvereins in dieser Saison seinen 150., das Festkonzert steht schon in wenigen Tagen, am 6. Januar, an.

Dirigent Nelsons hatte sich vor dem Konzert äußerst demütig präsentiert und zugegeben, dass er durchaus nervös sei. «Es ist irgendwie so, dass du den großen Geist der Komponisten und Musiker spürst, die hier gewirkt haben», sagte er dem ORF. «Alle Orchester, alle Musiker, Sänger, träumen davon, eines Tages im Musikverein zu musizieren.»

Am Dirigentenpult im Goldenen Saal ließ er sich das aber nicht anmerken. Das Orchester startete unter der Leitung des 41-Jährigen lebhaft mit dem Stück «Die Landstreicher: Ouvertüre» (Carl Michael Ziehrer) und präsentierte danach eine breite Palette mit gewohnt vielen Strauss-Kompositionen. Neun Stücke wurden zum ersten Mal bei einem Neujahrskonzert gespielt.

Den Abschluss fand das Konzert, das in mehr als 90 Länder übertragen wurde, wie gewohnt mit «An der schönen blauen Donau» (Johann Strauss Sohn), einem kräftigen «Prosit Neujahr» der Musiker und dem «Radetzky-Marsch» (Johann Strauss Vater), bei dem Nelsons das Publikum fast durchgehend kräftig mitklatschen ließ.

Ein ums andere Mal wurde deutlich, dass sich Orchester und Dirigent schon sehr gut kennen. Seit fast zehn Jahren arbeitet Nelsons immer wieder mit dem weltbekannten Ensemble zusammen, zuletzt nahm er mit den Philharmonikern alle neun Beethoven-Sinfonien auf. Es wäre sehr verwunderlich, wenn der Lette, der derzeit zu den renommiertesten Dirigenten gehört, in den kommenden Jahren nicht ein weiteres Mal Neujahr am Dirigentenpult im Wiener Musikverein feiert.

Im kommenden Jahr wird diese Ehre aber zunächst Riccardo Muti zuteil. Der 78 Jahre alte Italiener wird das Neujahrskonzert zum bereits sechsten Mal dirigieren. «Muti ist seit dem Jahre 2011 Ehrenmitglied des Orchesters. Als Zeichen dieser tiefen künstlerischen Verbundenheit bitten wir ihn am 1. Jänner 2021 zum sechsten Mal an das Pult des Neujahrskonzertes», sagte Philharmoniker-Vorstand Daniel Froschauer laut einer Mitteilung.

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