Banz - Ein Glanzlicht folgt dem nächsten: In der Reihe "Lied & Lyrik" war der Schriftsteller und Lyriker Reiner Kunze am Dienstagnachmittag in der Kutschenhalle von Banz zu Gast. Im ausverkauften Saal trug Reiner Kunze zu Beginn frühe kongeniale Übersetzungen eines tschechischen Dichters vor, die unterdrückten "Dissidenten" aus der "Samisdad"-Literatur (systemkritischer Intellektuellen) im Westen Gehör verschafften. Mit seinen Transformationen des tschechischen Lyrikers gedachte er eines Schriftstellers, der eine der größten Leistungen des 20. Jahrhunderts verfasste, aber 1989 vor der sanften Revolution in Prag verstarb. "Willst du nicht steinigen, musst du ein Stein in deinem Herzen sein . . . Nie warf ein Stein mit einem Stein".

Mit angenehmer und leicht von den Lippen gehender Stimme rezitierte Reiner Kunze diese sanften Protestgedichte über "Liebe und Nachtigall" oder anderen Feuilletons über den kommunistischen Alltag. Seine Tagebuchnotizen aus dem Jahr 1960 reflektierten Gebundenheit und Ferne zu seinem heimatlichen Nest: Gelesenes, Gedachtes und "Geschwiegenes. - Konzentrierte und launige Aphorismen über Musik ("Haydn als Kastrat hätte die Welt um die Schöpfung gebracht") und deren himmlischen Ursprung, über belesene und ignorante Buchhändler.

Seine Gedichte aus 40 Jahren waren der Höhepunkt witzig ironischer Auseinandersetzung mit sich und der Welt, mit Himmel und Erde, mit den Highlands oder Canada, dem Alter und dem Tod. Heiter und humorvoll durchzieht diese Gedichte die Einsicht: "Getäuscht sein will nur der Mensch - nur die Dinge hören auf ihren Namen". Das ist nicht resignativ, sondern hoffnungsfroh menschlich. Denn wie Wolf Biermann fasst Reiner Kunze die Weltreflexionen zusammen, wenn er schreibt: "Wir haben immer eine Wahl. Selbst die, uns denen nicht zu beugen, die sie uns nehmen".

Reiner Kunze, der 1933 im Erzgebirge geboren wurde, hat nach dem Staatsexamen Philosophie und Journalistik an der Karl-Marx-Universität in Leipzig, studiert. Er ist sowohl aus der Universität wie aus der SED wegen der Beschränkung der Meinungs- und Lehrfreiheit ausgetreten. Er lebte in der Tschechoslowakei und dann mit seiner tschechischen Frau in Thüringen. Nach der Ausbürgerung seines "Freundes - nicht Genossen" - wie Wolf Biermann in seinem "Reiner Kunze Lied" von 1976 kurz vor seiner Ausbürgerung schrieb - konnte er wie viele Intellektuelle aus der DDR in den Westen umsiedeln. Die Verfilmung seiner "Wunderbaren Jahre" in Coburg und Kronach hält er nach wie vor für misslungen, auch wenn er selbst versuchte, zu retten was zu retten ist. Das Publikum war so begeistert, dass Reiner Kunze drei noch nicht veröffentlichte Gedichte (Hollunderwunder, Die Festlinde, Indische Traumreise) zugab.