So entstehen meist unsinnige, oft lustige, gelegentlich überraschende Sentenzen. Vielleicht ließen sich die experimentierfreudigen Dichter des Surrealismus von dergleichen anregen, als sie bei der "écriture automatique", dem Schreiben "wie von selbst", Grammatik und inhaltliche Ideen außer Acht ließen, um gleichsam blindlings den ungebremst unbewussten Strom ihrer Augenblickseingebungen aufzuzeichnen. Dem Zufall können sich auch Arbeiten der bildenden Kunst verdanken, etwa durch den farbigen Abklatsch unterschiedlichster Gegenstände. Und der anarchische Komponist John Cage brachte im selben Sinn schwarze Punkte auf die fünf Linien eines Notenpapiers, indem er die Pickel einer Raufasertapete darauf durchrieb. Mit Zufallsfunden arbeitet ebenso Herta Müller. Seit der Verleihung des Nobelpreises 2009 veröffentlichte die Schriftstellerin zwar keinen Roman mehr, aber mehrere Bände mit Wortcollagen; eben erst den jüngsten: "Im Heimweh ist ein blauer Saal". Dazu schneidet sie aus allen möglichen Textquellen Wörter aus, die sie dann, wie der Erpresser alter Schule seinen Drohbrief, zusammenpuzzelnd in eigentümliche Verhältnisse zueinander setzt: gesteuerter Surrealismus als typografischer Salat, dem sie nachträglich eine Seele aus Kunst unterschiebt. Nur halbwegs passen die Wortklaubereien und -klebereien zu einer Autorin, die ihre eigene Prosa nie mutwillig aufs Geratewohl zusammenschusterte. Zum Glück klingt, was sie 2009 in ihrem letzten Roman, der großartigen "Atemschaukel", erzählte, planvoll, vorsätzlich, in einem tiefsten Sinn bewusst.