Hassberge Bürgerdialog: Auge in Auge mit der Kanzlerin

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Gabriele Baer und Michael Huth fahren für die VHS Ebern zum Schlussdialog. Sie erleben Angela Merkel live und tauschen sich mit vielen Bürgern aus.

 
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Ebern/Berlin - Davon wird Michael Huth vermutlich noch seinen Enkeln erzählen: "Knapp zwei Meter", so berichtet der 24-Jährige im Gespräch mit der Neuen Presse, "saß ich von der Bundeskanzlerin entfernt". Grund für das beinahe hautnahe Kennenlernen der ersten Frau im Staat: die zentrale Schlussveranstaltung des Bürgerdialoges, zu dem der Deutsche Volkshochschul-Verband und die Bertelsmann Stiftung eingeladen hatten. In Ebern waren am 22. März aus gut 50 Teilnehmern Gabriele Baer aus Rentweinsdorf und der Eberner Michael Huth ausgelost worden, die erarbeiteten Ideen der Veranstaltung stellvertretend in Berlin vorzutragen.

140 Bürgerinnen und Bürger aus dem gesamten Bundesgebiet, Frauen und Männer, Schüler und Senioren, von der polnischen Einwanderin bis zum pakistanischen Flüchtling, trafen in der Bertelsmannpräsenz Unter den Linden zusammen. "Allein das war schon ein einmaliges Ereignis und eine unbezahlbare Gelegenheit", sagt Gabriele Baer: "Das war Kommunikation pur." Denn abgesehen vom selbstredend nicht wirklich umsetzbaren "Dialog" mit der Kanzlerin kamen auf diese Weise Menschen unterschiedlichster lokaler und sozialer Herkunft im intensiven Austausch ins Gespräch. Alle hatten sich bereits in ihren Heimatveranstaltungen mit den drei zentralen Themen des Dialogs auseinandergesetzt: Wie wollen wir in Zukunft leben? Wovon wollen wir in Zukunft leben? Wie wollen wir in Zukunft lernen?

Und auch wenn sich die beiden Eberner "Delegierten" für die Fahrt in die Bundeshauptstadt frei genommen hatten, anstelle von Urlaub stand auch hier erst einmal wieder Arbeit an. Jeder der Teilnehmer hatte die vom heimischen Plenum ausgewählten Formulierungen im Reisegepäck, die nun erneut auf den Tisch kamen. "Wir haben uns, getrennt nach den drei zentralen Themen, erneut auf Schwerpunkte geeinigt und wieder eine gewisse Auslese getroffen", berichtet Gabriele Baer. In demokratischer Wahl ließen sich dazu dann auch sechs Sprecher finden, die die Fragestellungen im finalen Bürgergespräch an Angela Merkel weitergeben sollten.

So hatte dann auch die Kanzlerin Gelegenheit, sich zur Förderung des ländlichen Raums zu äußern. Gabriele Baer und Michael Huth verfolgten dies aus dem Publikum - wobei Michael Huth, mehr oder weniger aus Versehen, in die erste Reihe rutschte: "Ich hatte bei der Reihenauswahl den Buchstaben ,F' genommen, weil ich dachte, der wäre ganz hinten", grinst er: "So saß ich aber höchstens zwei Meter weg." Ein Katzensprung quasi, wie Huth bemerkt, dem auf diese Weise auch die "unglaublich blauen Augen" der Kanzlerin aufgefallen sind: "Wann hat man schon einmal die Chance, so nahe an der Bundeskanzlerin dran zu sein?", schmunzelt er und bemerkt, wie ihn das Auftreten der nur 1,65 Meter großen Persönlichkeit beeindruckt hat. Dermaßen "Aug' in Aug'" mit der Kanzlerin nimmt Michael Huth vor allem eine Erfahrung mit: "Sie ist auch nur ein Mensch." Bei aller sicher auch werbewirksamen Bürgernähe bleibt die Kanzlerin ehrlich: Sie wolle keine Versprechungen machen und könne größtenteils nur Ideen notieren und weitergeben. "Und sie sagt klipp und klar: Das wird sich alles lange hinziehen", berichtet Michael Huth.

Auch Gabriele Baer lobt die "Natürlichkeit" der Kanzlerin, die sich immerhin eine Stunde im vollgepackten Terminkalender für die Bürger Zeit genommen hätte - bevor sie übrigens nur unwesentlich später mit der deutschen Fußballnationalmannschaft in Polen zu Abend aß. Und: "Man hatte durchaus den Eindruck, dass sie die Fragen der Bürger ernst nimmt." Natürlich habe aber im Kanzlerinnen-Gespräch "nur die Spitze des Eisberges" behandelt werden können, schränkt Gabriele Baer ein: "Wir haben ja bereits in Ebern eine große Bandbreite eingeschränkt, und nun mussten wir noch einmal zuspitzen." Außerdem ähnelten sich die angesprochenen Themen, wie etwa beim Wunsch nach einem Föderalismus mit gleichen Standards und eigener Gestaltungsmöglichkeit, der nicht nur den Bereich der Bildung betraf. Die generelle Chancengleichheit dagegen kam fast ein wenig kurz, so die Teilnehmer. Dennoch gab es auch Details: Der Abschaffung des Föderalismus in der Bildung beispielsweise steht Angela Merkel als ehemalige DDR-Bürgerin aus eigener Erfahrung skeptisch gegenüber, außerdem sei die Kulturhoheit zementiert: "Es wird wohl ein Abwägen bleiben", vermutet Gabriele Baer. Davon abgesehen freuten sich die beiden Eberner über "klare Antworten", die von der Kanzlerin ohne große Vorbereitung und offenbar mit echter Anteilnahme am Dialog gegeben worden waren. "Insgesamt", so schließt Michael Huth, "war das eine unheimlich tolle Erfahrung, die man in seinem Leben wohl nur einmal machen kann".

Was nimmt er sonst noch mit aus Berlin? "Auf jeden Fall ist diese Art von Dialog und Bürgerbeteiligung etwas, was nachahmbar ist", sagt er: "Vielleicht ja auch auf lokaler Ebene, wie in unserem Landkreis."

Eine einmalige Chance.

Michael Huth


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