Hassberge Den Toten eine Stimme geben

Von Helmut Will

Ebern gedenkt am Volkstrauertag der Gefallenen. Die Redner bedauern, dass junge Menschen heute oft keinen Zugang zu diesem Gedenktag finden.

 
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Ebern - Ein Volk trauert um seine Toten. Vom Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge im Jahr 1919 vorgeschlagen, fand eine erste Feierstunde 1922 im Reichstag statt. Ab 1926 wird der Volkstrauertag regelmäßig abgehalten. Es ist ein "stiller Tag", an dem an Opfer der zurückliegenden Kriege, aber auch an Opfer kriegerischer Auseinandersetzungen der heutigen Zeit gedacht wird.

Am Sonntagvormittag fand nach dem Gottesdienst in Ebern eine Gedenkstunde am Ossarium statt, mit Gedanken von Bürgermeister Robert Herrmann, dem Oberstleutnant der Reserve Klaus Bertram und Worten und Gebeten der beiden Geistlichen Pater Rudolf Theiler und Pfarrer Bernd Grosser zu diesem Tag.

"67 Jahre nach dem zweiten Weltkrieg fällt es vielen, zunehmend jüngeren Mitmenschen schwer, die Bedeutung des Volkstrauertages zu begreifen", sagte Bürgermeister Robert Herrmann. Werde deshalb der Gedenktag bald einer ohne Volk sein, fragte er? Man sei es den vielen Kriegstoten schuldig, ihrer in Trauer und Mitgefühl zu gedenken. Sehr bewusst sei ihm der Sinn des Tages bei einem Besuch in diesem Jahr in der Normandie geworden. Eindrucksvoll wurde bei einem dortigen Friedensmarsch und medialer Aufbereitung die Grausamkeit eines Krieges vor Augen geführt. "Bei dem Besuch konnte man persönlich spüren, dass eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich erfolgt ist", sagte Herrmann. Immer wieder sollte man sich bewusst machen, welch unmenschliches Leid Menschen, Soldaten, die keine andere Wahl hatten, ihren Mitmenschen gegenseitig zugefügt hätten.

Auch in der heutigen Zeit geschehe das an den verschiedenen Brennpunkten kriegerischer Auseinandersetzungen erneut. "Wir trauern heute um alle, die in den Kriegen, bei Auseinandersetzungen, durch Hass und Gewalt, ihr Leben lassen mussten, und wir trauern mit den Müttern und Familien der Toten. Vergessen wir die Toten nicht, ihr Leben war nicht umsonst, mit unserer Erinnerung halten wir sie in unserer Mitte", so der Bürgermeister.

Klaus Bertram, Oberstleutnant der Reserve, erinnerte daran, dass auf den Tag genau vor 70 Jahren der deutsche Angriff auf Stalingrad endete. "Danach schloss sich im Kriegswinter der Kessel um die sechste Deutsche Armee, brachte Leid und Sterben über sie." Er zählte die damaligen Kriegsschauplätze bis zum Endkampf um Berlin auf. Er erinnerte an die entsetzlichen Untaten der Nazis in den Konzentrationslagern. "Ich erinnere an die Leiden der Zivilbevölkerung und die Bombardierung unserer Städte, an Flucht und Vertreibung aus der ostdeutschen Heimat, all das sind Resultate des zweiten Weltkrieges", sagte Bertram. Die heutige Jugend fühle sich nicht mehr angesprochen, der Krieg sei für sie ein Kapitel der Geschichte.

Der ehemalige Soldat zitierte aus einem Feldpostbrief seines Vaters vom 29.12.1944, der seine Eindrücke im Kessel von Stalingrad schilderte und trotz der unsagbaren Strapazen von einem schönen Weihnachten berichtete. "Vielleicht konnten Sie sich jetzt etwas in diese Zeit zurückversetzen", sagte Bertram.

Bedauerlich sei es, dass es auch heute Kriege gebe, und wieder Briefe, wenn auch oft per Mails, an die Angehörigen geschrieben werden. "Ja, es gibt wieder Menschen in unserem Land, die zittern und beten, dass die Soldaten wieder gesund nach Hause zurück kommen." Auch heute würden wieder Soldaten fern der Heimat Leib und Leben für ihr Land riskieren. Posttraumatische Belastungsstörungen gingen mit den Einsätzen einher, Beziehungen gingen hierdurch kaputt, weil oft ein normales Leben nach traumatischen Erlebnissen nur schwer möglich sei. "Deshalb wollen wir auch gerade heute an die denken, die für uns im Auftrag unseres Bundestages ihr Leben fern der Heimat einsetzen: Ihnen gebührt Anerkennung und Mitgefühl", schloss Klaus Bertram seine Rede.

Auch Pater Rudolf Theiler befand, dass es für junge Leute mitunter problematisch sei, sich am Volkstrauertag an dessen Sinn zu erinnern. Der Geistliche stellte die Frage, ob Trauern nach so langer Zeit sinnvoll sei, oder ob es nicht besser wäre, zu vergessen. "Weil die Toten schweigen, beginnt immer wieder alles von vorne", sage ein Sprichwort. Deshalb halte er es für wichtig, den schweigenden Toten eine Stimme zu geben und an ihrer Stelle die Erinnerung wach zu halten. Theiler stellte in seinen Worten einen aktuellen Bezug zu der Entwicklung in Israel und Gaza her, wo es gegenwärtig Krieg gebe. "Eine verfehlte und egoistische Politik bringt auch heute noch Menschen an den Todesrand", so Theiler. Wenn Tote reden könnten, würden sie wohl sagen, dass sie hätten viel Gutes tun können. "Welch ein Verlust durch diese Gewalt, sucht den Frieden und jagt ihm nach", forderte Theiler. Frieden könne im Kleinen, in der Familie, in Nachbarschaft und in der Gemeinde beginnen, wo Menschen bereit seien, sich zuzuhören, wo die Menschenwürde unantastbar bleibt. Pfarrer Bernd Grosser sprach ein Gebet aus dem Senegal. Während das Blasorchester Ebern den "Alten Kameraden" spielte, legten Bürgermeister Robert Herrmann und Vertreter zahlreicher Verbände und Vereine aus dem Stadtgebiet Ebern im Ossarium Kränze nieder und gedachten dort kurz der Toten. Damit endete die ansprechend gestaltete Gedenkfeier zum Volkstrauertag.

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