Hassberge Graue Wohnungsnot in den Haßbergen

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Laut Pestel-Studienleiter Matthias Günther sollten Senioren so lange wie möglich in ihren Wohnungen leben bleiben - auch wenn sie ambulant gepflegt werden müssen. Diesen Wunsch bestätigt auch die Studie des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts im Landkreis Haßberge: Altengerechter Umbau aber kostet. Quelle: Unbekannt

Eine Studie beleuchtet die Lebenssituation der Älteren in Stadt und Land in den nächsten Jahren. Fazit: Der Neubau und das Sanieren von altersgerechten Wohnungen muss gefördert werden.

 
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Ebern/Haßfurt - Die Zahl ist enorm, eine drohende "graue Wohnungsnot" offenbar kaum zu vermeiden und wenn, dann nur mit sehr hohem finanziellen Einsatz zu steuern: Glaubt man der aktuellen Studie "Wohnen 65plus" des Pestel-Instituts, fehlt es im Landkreis Haßberge in einigen Jahren ganz massiv an Wohnungen für Senioren. Laut des Berichts, den die Hannoveraner Wissenschaftler jetzt vorgestellt haben, werden in den kommenden Jahren im Kreis rund 2590 altengerechte Wohnungen fehlen. Die Wissenschaftler geben in der Studie zudem eine Prognose für die Bevölkerungsentwicklung. Demnach werden im Jahr 2035 in den Haßbergen rund 26 180 Menschen älter als 65 Jahre sein - 67 Prozent mehr als heute. "Mit der starken Zunahme Älterer wird auch die Zahl der Pflegebedürftigen rasant wachsen", prognostiziert Pestel-Studienleiter Matthias Günther.

Die Prognose für die Haßberge gehe von rund 4240 Pflegebedürftigen im Jahr 2035 aus. "Deshalb wird es höchste Zeit, barrierearme Wohnungen zu schaffen. Ziel muss es sein, die älteren Menschen so lange wie möglich in ihren eigenen vier Wänden wohnen zu lassen. Auch dann noch, wenn sie dort ambulant gepflegt werden müssen", so Günther, der in diesem Zusammenhang eine "graue Wohnungsnot" prognostiziert.

Die Alternative zum barrierefreien Wohnraum sei der Umzug ins Pflegeheim: "Genau das wollen viele Ältere aber nicht." Zudem führe die stationäre Pflege im Heim zu enormen Mehrkosten. Laut der Studie koste ein Pflegeplatz im Heim - im Vergleich zur ambulanten Pflege zu Hause - pro Jahr rund 7200 Euro mehr. Verglichen mit dem Aufwand, der notwendig ist, um eine Wohnung altersgerecht zu sanieren, "gehe die Rechnung schnell auf". Jedenfalls die, die das Bundesbauministerium ganz offiziell vorgibt. "Demnach kostet der Umbau einer barrierearmen Wohnung durchschnittlich 15 600 Euro. Rein wirtschaftlich betrachtet, lohnt es sich, in das altersgerechte Bauen und Sanieren zu investieren", sagt Günther. Schon mit der Einsparung der Extrakosten für die Heimpflege lasse sich eine seniorengerechte Wohnungssanierung in gut zwei Jahren finanzieren. Im Landkreis Haßberge müssten laut der Studie stolze 40,4 Millionen Euro in das altersgerechte Bauen investiert werden. Nur so könne es gelingen, die knapp 2600 zusätzlichen Senioren-Wohnungen zu schaffen. Dies, so die Studie, funktioniere jedoch nur dann, wenn es hierfür finanzielle Anreize gebe: "Es ist dringend notwendig, den Neubau und das Sanieren von altersgerechten Wohnungen stärker zu fördern", meint Günther. Insbesondere der Bund sei hier gefordert. Die Politik müsse - neben zinsverbilligten Krediten bei der KfW-Förderung - verstärkt auf direkte Bau-Zuschüsse und die steuerliche Abschreibung setzen. "Ein Kredit mit zwanzig Jahren Laufzeit stößt bei einem Siebzigjährigen in der Regel nur auf wenig Interesse."

Die vom Landkreis in Auftrag gegebene Studie zum seniorenpolitischen Gesamtkonzept von 2012 hatte ebenfalls ergeben, dass die meisten Senioren gerne in ihren eigenen vier Wänden wohnen blieben würden: Bei Rüstigkeit wollen demnach durchschnittlich 78 Prozent in Wohneigentum leben, selbst bei den Hochbetagten ist es noch mehr als jeder zweite. Priorität haben des Weiteren das Wohnen bei Verwandten (20 Prozent) und in barrierefreien Wohnungen (15 Prozent; Quelle: BASIS-Institut für soziale Planung, Beratung und Gestaltung GmbH).

Nachdem der Studie zufolge ohnehin 96 Prozent der älteren Landkreisbewohner, die sich an der Befragung beteiligten, in Häusern wohnt - 70 Prozent davon verfügt über Wohneigentum - ist es gerade im ländlichen Raum oft sinnvoll, die bereits bestehende Wohnung mit einfachen Mitteln und geringem Aufwand so auszustatten, dass die Betroffenen in ihren eigenen vier Wänden bleiben können: Zum Beispiel können Türschwellen beseitigt, Handläufe angebracht, die Dusche ebenerdig umgebaut oder Treppenstufen durch eine Rampe ersetzt werden.

Dafür hat der Landkreis Haßberge eigens eine sogenannte Wohnraumberatung eingerichtet, in der Senioren - aber auch jüngere Bürgerinnen und Bürger - maßgeschneiderte Konzepte für ein komfortables Wohnen erhalten. Ein Team aus haupt- und ehrenamtlichen Beratern unterstützt die Bürger (www.wohnberatung-hassberge.de). Monika Göhr, die Pressesprecherin des Landratsamtes in Haßfurt, bestätigt im Übrigen, dass barrierefreie Wohnungen im Landkreis noch Mangelware sind, wenn auch nicht vielleicht rund 2600: Investiert werden müsse in diesem Bereich aber zweifellos.

Mit der Zunahme Älterer wird auch die Zahl der Pflege-bedürftigen wachsen.

Pestel-Studienleiter Matthias Günther


Mehrere Auftraggeber

Die Studie zum Senioren-Wohnen hat das Verbändebündnis "Wohnen 65plus" in Auftrag gegeben. Dazu gehören: der Sozialverband VdK Deutschland, der Bund Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure (BDB), die IG Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) und der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel (BDB).


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