Hassberge Tarifreform: GEMA schockt die Disco-Szene

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Ein regelrechter Aufschrei geht durch die deutsche Discotheken-Landschaft.Betreiber im Landkreis Haßberge fürchten, dass es schon bald keine Tanzlokale mehr geben wird.

 
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Unterpreppach/Ebern - Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrecht (GEMA) will ab 2013 die komplizierte Gebühren-Ordnung vereinfachen. Die Gesellschaft argumentiert, dass viele kleine und mittelgroße Veranstalter mit der Neuregelung weniger zahlen würden, größere würden dagegen stärker belastet. Ausschlaggebend für die Berechnung der neuen GEMA-Gebühren sind künftig nur noch zwei Größen: die Veranstaltungsgröße, berechnet über die Größe der Veranstaltungsfläche, und die Höhe des erhobenen Eintrittsgeldes. Damit sollen die Gebühren direkt an die "wirtschaftliche Größe" der Veranstaltung angepasst werden.

Den Betreibern von Discotheken droht nach deren eigenen Angaben dadurch aber eine ordentliche Mehrausgabe. Die Tarifstrukturreform sei für Clubs und Discotheken existenzgefährdend, heißt es seitens der Betreiber: Ein breites Bündnis unter der Initiative des Bundesverbandes deutscher Discotheken und Tanzbetriebe (BDT im DEHOGA) kämpft - mittlerweile auch juristisch - gegen die geplante Änderung, eine entsprechende Online-Petition (www.discoretter.de) hat mittlerweile sagenhafte 233 000 Unterstützer. Ein Discotheken-Sterben von rund 50 Prozent befürchtet Stephan Büttner, Geschäftsführer des Discothekenverbandes BDT (siehe unten).

"Das war vorher schon nicht gut, und wird jetzt noch schlimmer", ärgert sich Theo Kuhn, Geschäftsführender Gesellschafter der Discothek "Rainbow" in Knetzgau, über die Tarifpolitik der GEMA. Er wisse zwar noch nichts Genaues, "auf jeden Fall werden die Gebühren für uns aber höher", sagt er: "Ich schätze, gut ums Dreifache." Noch sei aber nichts endgültig "durch", weshalb die Knetzgauer GbR sich auch mit dem Verband der DEHOGA dem bundesweiten Protest angeschlossen hat.

Stefan Kaiser, Betreiber der "U-Night" in Unterpreppach, hofft, seinen bestehenden, alten Vertrag noch in diesem Jahr verlängern zu können. Er erwartet ebenfalls nichts Gutes, falls die Tarifreform so umgesetzt wird. Die Rechnung der GEMA hat seiner Einschätzung nach einen gewaltigen Haken: Ihr liege zwar die Größe der Veranstaltungsfläche zugrunde, nicht aber die tatsächliche Auslastung. "Der Punkt ist: Es ist egal, ob 50 Leute da sind, oder 500", so Kaiser: "Und wer kann schon behaupten, dass sein Laden immer voll ist?"

Einzelveranstaltungen am Abend werden dann teurer, wenn sie mehr als fünf Stunden dauern: Der Grundtarif wird zwar prinzipiell abgesenkt, dann jedoch mit einem Zweitzuschlag ergänzt. Wenn die GEMA-Reform kommt, so fürchtet Stefan Kaiser, "wird es vermutlich mindestens 50 Prozent weniger Veranstaltungen geben". Das wiederum bedeute vor allem für kleinere Bands das Aus.

Ohnehin sieht es für Discos und Tanzlokale auf dem Lande nicht rosig aus. Das Ausgehverhalten der jungen Leute habe sich gravierend geändert, bedauert Stefan Kaiser. "Geld wird heute anders ausgegeben", sagt er: "Das Handy frisst mindestens einen Ausgehtag pro Woche." Wo vor 15 oder 20 Jahren noch das ganze Wochenende im Zeichen der Disco-Party stand, sei heute schon nur noch der Samstag übriggeblieben. Dazu kommt die Sommerpause: "In großen Städten tendiert die Entwicklung zu Clubs und Cocktailbars, auf dem Land gibt es verstärkt Privatfeiern", beobachtet er. Dabei sei der oft bemühte demografische Wandel nicht unbedingt ausschlaggebend: "Fünf Prozent weniger Jugendliche bedeuten nicht gleich 50 Prozent weniger Discos."

In den letzten Jahren hat sich die Discothekenlandschaft rund um den Landkreis Haßberge bereits erheblich ausgedünnt: Das Moonlight in Eltmann, das Dörfle in Haßfurt oder das Fireflash in Ebensfeld haben die Musik abgedreht; neben der Unterpreppacher U-Night und dem Rainbow in Knetzgau bietet im westlichen Landkreis zumindest noch das Hofheimer Ballhaus 14-tägige DJ-Partys und Musik-Events. Verschärfte GEMA-Gebühren könnten aber auch Einfluss auf künftige Eberner Altstadtfeste haben: Die Berechnung gilt für Veranstaltungen mit Musik auch ohne Eintritt. Fazit: "Entweder man hört auf, oder man erhöht die Preise", sagt Stefan Kaiser: "Und dann bleiben meist die Gäste weg."


Schiedsstellenverfahren zur Reform

Die Gesellschaft zum Schutz musikalischer Aufführungs- und mechanischer Vervielfältigungsrechte (GEMA) vertritt in Deutschland in monopolähnlicher Stellung die ihr übertragenen Rechte von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern. Sie überträgt die Nutzungsrechte gegen Bezahlung einer angemessenen Vergütung an die Musikveranstalter. Verwertungsgesellschaften sind gesetzlich dazu verpflichtet, Tarife aufzustellen und können bestehende Tarife und deren Strukturen auch ändern: "Natürlich gibt es hierfür Grenzen", erklärt die Pressesprecherin des Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) in München, Ursula Paschek, auf Anfrage der Neuen Presse. Das DPMA könne Details in einem Schiedsstellenverfahren überprüfen: Ein Verfahren zur Tarifreform der GEMA sei seit April 2012 anhängig. "Die Schiedsstelle muss nach dem Gesetz innerhalb eines Jahres einen Einigungsvorschlag vorlegen", so Paschek weiter: "Wir gehen davon aus, dass wir spätestens im nächsten Frühjahr einen Einigungsvorschlag haben." tnk


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