Pressig 400 Kilometer mit 85 km/h

Karl-Heinz Hofmann

Von Belgien nach Pressig flogen 38 Reisebrieftauben von Georg Bayer. Nur zwei Tiere kehrten nicht zurück in den Heimatschlag. Für den Züchter ist die Aktion dennoch ein Erfolg.

 
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Pressig - Von 40 in Belgien aufgelassenen Tauben sind 38 in ihren Heimatschlag nach Pressig von einem Sportflug zurückgekehrt. Der leidenschaftliche Brieftaubenfreund Georg Bayer freute sich riesig über den Erfolg. Nun war am Sonntag der große Tag des ersten weiten Flugs unter Wettbewerbsbedingungen. Bayer ist seit 30 Jahren der Vorsitzende des Brieftaubenzuchtvereins "Haßlachbote" und beschäftigt sich seit seiner Kindheit mit Taubenzucht. Der Verein wurde im Oktober 1950 als Reisetaubenzuchtverein gegründet und erstreckte sich auf den Ort Haßlach bei Kronach mit näherer Umgebung. Dieses Jahr feiern die Brieftaubenliebhaber das 70-jährige Jubiläum.

Die Brieftauben wurden am Sonntagfrüh in Arlon/Belgien aufgelassen und flogen die über 400 Kilometer lange Flugstrecke, um am Mittag wieder im Heimatschlag einzuziehen. Georg Bayer informierte die Neue Presse während der spannenden Wartezeit darüber, wie diese auf ihre Weitflüge vorbereitet werden. So bilden in der Reisesaison Diätmischungen und drei verschiedene Witwermischungen die Hauptnahrung; dieses wird durch Zumischen von weiteren Komponenten ergänzt - ein spezielles Taubenfutter für optimale Versorgung in der Reisesaison. Nach den Preisflügen erhalten die Tauben zwei Tage lang eine Diätmischung. Nach schweren Flügen wird auf das Futter als zweite Mahlzeit ein Eiweißprodukt gegeben und am zweiten Tag nach dem Flugeinsatz wird zusätzlich Oreganoöl über das Futter gegeben. Einige Tage vor dem nächsten Preisflug werden zusätzlich Jod und eisenhaltige Kost beigegeben. Für längere Strecken werden Sonnenblumenkerne und anderes hochwertiges Saatgut in das Futter gemischt.

Brieftauben verfügen über einen hervorragenden Orientierungssinn. Einst waren sie die einzige Möglichkeit, Informationen schnell zu übermitteln. Eine vollständige Erklärung für das Heimorientierungsverhalten der Brieftauben ist bis heute noch nicht gefunden. Gesichert scheint nach Bayer, dass "die Tauben nach dem Magnetfeld der Erde fliegen und nach dem Sonnenstand". Er selbst wisse auch nicht, wie das funktioniere, aber es funktioniere und das sei ja auch ein faszinierendes Geheimnis. Und dann geht es plötzlich Schlag auf Schlag. Die ersten Tauben kommen über den Rauhen Berg am Horizont eingeflogen: Im Nu kreisen sie auch schon über den Heimatschlag und Bayer setzt einige Lockrufe in den Himmel ab. Aber er weiß, jetzt kommen sie; es ist ihre Eigenart, erst den Heimatschlag zu umkreisen und zu inspizieren, bevor sie sich am Dach erst einmal kurz absetzen. Fast sieht es so aus, als wollten sie noch kurz den Blick ins Tettautal und nach Welitsch genießen, ehe sie sich dann völlig ruhig und entspannt in ihr Zuhause zurückziehen. Damit kehrt wieder etwas Ruhe ein.

Wie Georg Bayer berichtet, sind seine Tauben wie viele andere Tauben aus der Region - aber auch aus ganz Deutschland und aus dem europäischen Ausland - mit einem Spezialtransporter zum Auflassungsort gebracht wurden. Um circa acht Uhr habe er die Nachricht vom Auflass seiner Brieftauben erhalten. Nach ihrer Rückkehr checkt er eine elektronische Uhr, um die Flugzeiten abzulesen. Früher seien das manuelle Konstatieruhren gewesen, heute halte man mit einem elektronischen Konstatiersystem die Zeiten fest, erläutert Bayer. So bekommen die Tauben vor jedem Flug einen Konstatierring an den Fuß, der die genaue Zeit durch Lichtschrankentechnik misst. Der Ring enthält einen Chip, der mit einem speziellen Code beschrieben wird, sodass eine Manipulation der Flugergebnisse nicht möglich ist. Kehrt die Taube vom Flug in ihren Schlag zurück, wird sie über den Terminal an der Schlaganlage registriert und ihre Zeit sekundengenau in einem Konstatiergerät ("Uhr") festgehalten. Die Werte werden dann in einem Rechenzentrum ausgewertet und übermittelt.

Heutzutage müssten die Tauben während des Fluges viel mehr Gefahren trotzen als früher; größte natürliche Feinde seien die Greifvögel, erläutert Bayer, der sich vorerst noch über eine Stunde gedulden muss, bis er seinen Erfolg registrieren kann. 38 Tauben sind zurück, da könne er nun durchatmen. Denn angesichts der Strapazen hätten auch weitaus mehr Tiere fehlen können. Doch die Flugbedingungen seien sehr gut gewesen, freut Georg Bayer über den Verlauf.

Insgesamt wurden 2365 Tauben gesetzt, 79 Züchter beteiligten sich am Wettbewerb. In Pressig traf die erste Taube um 12.06 Uhr ein, wie der Taubenexperte informiert - ein Blau Weibchen namens Susi. Die Tauben flogen eine durchschnittliche Geschwindigkeit von 85 km/h. Das ist Ausdauersport, gibt Georg Bayer zu bedenken - und deshalb erhalten die Tauben zunächst eine spezielle Futtermischung und als Nachtisch ein Eiweißprodukt.

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