Kronach Badehosen setzen ein Statement

Maria Löffler
100 blaue Badehosen werden ab kommenden Samstag an einer Schnürsenkel-Leine hängen. Die jeweiligen Sprüche können ergänzt oder kommentiert werden. Fotos: Maria Löffer Quelle: Unbekannt

Die Schwimmkleidung hängt ab Samstag auf dem Landesgartenschaugelände in Kronach. Wer möchte, kann daran mit Sicherheitsnadeln kleine Botschaften an seine Mitmenschen befestigen.

 
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Kronach - "Ist das Kunst oder kann das weg?" So mancher wird sich das fragen, wenn er ab kommenden Samstag durch das LGS-Gelände in Kronach spaziert. Dann nämlich
sollen direkt an der Geschichts-
Promenade vor der Seebühne 100 blaue Badehosen auf 33,33 Metern Länge an einer Schnürsenkel-Leine flattern. Kein Scherz, sondern eine Street-Art-Aktion von Jürgen Jakob, der nicht nur "etwas Farbe ins Spiel" bringen möchte, sondern dabei auch auf Symbolwirkung setzt. Lässt man die geplante Performance den 54-Jährigen selbst auf den Punkt bringen, dann dreht sich eben alles um ein Stück Textilfaser. Die blauen Badehosen sind aus dem Jahr 1965, das Jahr, in dem er selbst geboren wurde. Und die sollen nicht einfach nur ein einer Leine vor sich hinhängen, sondern Anlass zum Nachdenken, Schmunzeln oder Lachen geben. Weil man daran nämlich Zettel mit einer Botschaft an seine Mitmenschen mit einer Sicherheitsnadel befestigen könne. "Im Text ist jeder frei, ich möchte nur keine parteipolitischen Botschaften und keine Hetze." Und warum Schnürsenkel? "Die sind nachhaltig und nicht aus Plastik."

Der "Zwickelerlass" - als das Baden gesetzlich geregelt war

Die Street-Art-Aktion dreht sich um ein Stück Textil. Einmal um die Badehose und im übertragenen Sinne auch um die Mund- und Nasen-Bedeckung. Letztere soll schützen, auch wenn sie von vielen Menschen als lästig empfunden wird und einfach als "zu viel." Die Badebekleidung hingegen hat sich im Laufe der Jahre krass verändert. Aus viel wurde weniger und aus weniger so gut wie gar nichts. Macht man einen Zeitsprung zurück in die 30er Jahre, dann stolpert man über die "Badepolizeiverordnung vom 18. August 1932" Zu dieser Zeit nämlich war das öffentliche Nacktbaden, oder das Baden in anstößiger Badebekleidung, vollständig verboten. Da jedoch die in Reichskommissar Franz Brachts Erlass gewählte Formulierung "in anstößiger Badekleidung" sehr unterschiedlich interpretiert werden konnte, verfehlte der Erlass das angestrebte Ziel. Ein neuer Erlass musste her und der machte unter dem witzigen Namen "Zwickelerlass" Furore. Hier wurde nämlich detailliert geregelt, wie genau die Badebekleidung von Männern und Frauen auszusehen habe. Das Nacktbaden war auch in diesem neuen Erlass untersagt und Frauen durften damals öffentlich nur baden, wenn sie sich in Badeanzug zwängten, der "Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckt, unter den Armen fest anliegt sowie mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. Der Rückenausschnitt darf nicht über das untere Ende der Schulterblätter hinausgehen." Und weiter heißt es: "Männer dürfen öffentlich nur baden, falls sie wenigstens eine Badehose tragen, die mit angeschnittenen Beinen und einem Zwickel versehen ist. In sogenannten Familienbädern haben Männer einen Badeanzug zu tragen."

Der "Zwickelerlass" sorgte damals für große Heiterkeit in der Presse - man sprach auch in Anlehnung an den Verfasser vom "brachtvollen" Erlass - und bis heute gilt er immer noch als Symbol für das unangemessene Eingreifen des Staates in persönliche Angelegenheiten.

Nicht nur für den historisch interessierten Hauptkommissar sind Badehosen ein Sinnbild für Urlaubsfreuden. Zur gegenwärtigen Situation meint er: "Der Sommer 2020 brachte uns allen eine neue Erfahrung. Wir mussten und müssen uns einschränken. Wir sehen uns gesellschaftlichen Diskussionen gegenüber, die sich auch mit dem Thema Freiheit befassen. Einige Mitmenschen fühlen sich gegängelt und bevormundet. Nicht jedem erschließen sich staatlich angeordnete Maßnahmen zum Infektionsschutz. Die Meinungen gehen stark auseinander. Dennoch müssen wir uns den Herausforderungen stellen. Die Wirtschaft hat massiv gelitten. Kunst- und Kulturschaffende leben von der Hand im Mund." Jakob schlägt dabei den Bogen zur "allgegenwärtigen Mund-Nasen-Bedeckung," die für viele lästig sei, aber eben auch vor Ansteckung schütze. Seine Aktion soll also vor allem auch ein Statement sein. "Wir sollten im Gespräch bleiben und fair miteinander diskutieren. Letztlich können wir die Herausforderungen der Zukunft nur gemeinsam meistern, auch wenn wir nicht alle immer einer Meinung sind. Vielen Menschen geht es nicht gut im Moment. Aber wir sollten zusammenstehen und der Krise trotzen. Es wäre schön, wenn wir uns auf alte Werte besinnen und einfach einmal versuchen, Menschen zu helfen."

Das Wort "helfen" bezieht sich dabei vor allem auf die Spendenaktion, die mit der Performance eng verbunden ist. Finden werden sich neben den Badehosen und den Sprüchen nämlich auch eine Beschreibung des Ganzen und ein DIN-A4-Flyer mit einem QR-Code zum scannen. "Damit kommt man direkt auf ein Paypal-Konto. Die jeweilige Spende geht an "Badehose@lass-es-geschehen.de." Der gespendete Betrag sei einmal für den Kronacher Tierschutzverein gedacht, zum anderen für die humanitäre Hilfe von Tom Sauer. Wann diese Street-Art-Aktion endet, weiß selbst der Initiator jetzt noch nicht. "Enden tut’s, wenn keine Badehose mehr dranhängt." Die nämlich dürfe man sich auch mitnehmen, sozusagen "als Erinnerung an den Corona-Sommer 2020." Allerdings sei das Ganze natürlich zeitlich schon befristet, räumt er ein.

Das mit den Sprüchen laufe gut bis dato, bestätigt Jakob, der seine Aktion schon vor ein paar Tagen auf Facebook gepostet hatte. "87 Leute haben sich gemeldet und 22 haben mir schon eigene Sprüche geschickt." Die werden auf jeden Fall auf den Badehosen landen, versichert er.

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