Mitwitz Die neuen Schlossherren

Yannick Seiler
Ein Weißstorch bringt einen Zweig zum Nest, in dem sein Partner steht, auf dem Dach des Mitwitzer Wasserschlosses. Wo beide Tiere zur Zeit noch an ihrem neuen Zuhause bauen, könnten schon bald die ersten Storchenkücken schlüpfen. Foto: Anja Barthen

Auf dem Dach des Wasserschlosses in Mitwitz nistet ein Storchenpaar – das erste Mal seit 20 Jahren. Das liegt am neuen Zugverhalten der Tiere.

 
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Mitwitz - Mit einem Ast im Schnabel kehrt einer der beiden Weißsstörche auf das Dach des Mitwitzer Wasserschlosses zurück. Der Partner fliegt das Nest mit einem ähnlichen Stück Holz an. Noch gleicht es einer Baustelle, das neue Domizil des Weißstorchpaars, doch in einigen Wochen könnte hier Nachwuchs aus den Eiern schlüpfen. Menschenkinder soll er bringen, der Weißstorch. Das sagt zumindest der Volksmund. "Zur Zeit bringen die Störche Äste und Nistmaterial zu ihrem Nest", stellt Cordula Kelle-Dingel, Vorsitzende des Landesbundes für Vogelschutz in Bayern (LBV) der Kreisgruppe Kronach, über die beiden neuen Störche auf dem Dach des Mitwitzer Wasserschlosses fest.

Zu trocken für Störche

"Eigentlich ist die Gegend um Mitwitz zu trocken für Weißstörche", erklärt Hans-Peter Schönecker, LBV-Storchenbeauftragter für das Coburger Land. Zum einen biete der Frankenwald nicht die nötigen Wiesen, Gräben und Bäche, in denen die Tiere ihr Futter finden. Zum anderen hätten Landwirte ihre Felder seit den 1970er-Jahren durch Drainagen trocken gelegt, um sie besser bearbeiten zu können, und so auch der Nahrung der Störche, etwa Regenwürmern, Insekten und Mäusen, den Lebensraum entzogen. Nur durch die Nestknappheit hätte sich das Mitwitzer Paar auf dem Dach des Wasserschlosses niedergelassen. Da viele Tiere nicht mehr nach Afrika fliegen und in Spanien überwintern, überlebten mehr Tiere als noch vor einigen Jahren die Reise. Nun müssen die beiden Mitwitzer Weißstörche laut dem Experten im Talgrund der Steinach von Marktgraitz bis Sonneberg Nahrung für sich und ihren möglichen Nachwuchs suchen.

Gebrütet haben die beiden Vögel, die zur Zeit beim Bau ihres neuen Zuhauses zu beobachten sind, laut Kelle-Dingel noch nicht. Deswegen sei noch nicht sicher, ob das Paar bis zum Herbst in Mitwitz bleibt. Denn die Tiere könnten auch nur auf der Suche nach einem passenderen Nistplatz durch den südlichen Kronacher Landkreis ziehen. Die meisten Weißstörche würden Anfang April zu brüten beginnen. Deswegen sei das Mitwitzer Paar zwar etwas spät dran, könnte aber noch Junge auf die Welt bringen.

Im Gegensatz zu den Nachbarlandkreisen, sind die schwarz-weiß gefiederten Tiere in der Region um Kronach selten anzutreffen. "Das milde Klima im Landkreis Coburg kommt den Weißstörchen mehr entgegen", sagt Kelle-Dingel. Im Gegensatz zu den Anfang März in den Landkreis zurückkommenden Schwarzstörchen, bräuchten ihre Artgenossen große Wiesenflächen, um auf Futtersuche zu gehen. Der Schwarzstorch hingegen brüte vor allem im Wald und suche sich dort seine Nahrung in den Bächen. Auch brüte er etwas unterhalb der Baumkrone, weshalb sein Nachwuchs geschützter vor Wind und kalten Temperaturen sei als die Jungvögel der Weißstörche. Denn dieser baue sein Nest "gut sichtbar inmitten menschlicher Siedlungen neben Wirtshäusern und Kirchen". Auch deshalb gelte er als Glücksbringer und werde in vielen Kinderliedern erwähnt.

Dem Mitwitzer Bürgermeister Hans-Peter Laschka (CSU) sind solche Storchen-Geschichten natürlich bekannt. Das sei das erste Mal seit mehreren Jahrzehnten, dass sich ein Paar der fliegenden Glücksbringer in dem Ort niedergelassen habe. Vom Fenster seines Büros im Rathaus aus könne er direkt auf das Dach des Wasserschlosses und das Nest der Störche schauen. "Ich freue mich jedes Mal, wenn ich die Tiere dort herumfliegen sehe", sagt er.

"Die letzte Brut in Mitwitz ist schon 20 Jahre her", weiß es Hans-Peter Schönecker, LBV-Storchenbeauftragter für das Coburger Land, noch etwas genauer. Für Weißstörche seien die Tiere mit ihrem Nestbau tatsächlich etwas spät dran. Das erklärt sich der Experte damit, dass das gefiederte Paar zu den sogenannten Ostziehern gehöre. Diese Weißstörche leben im Osten Europas und ziehen laut Schönecker über Österreich, Ungarn und später über Israel und Ägypten in wärmere Mittelmeerregionen oder nach Afrika, um dort zu überwintern. Durch den Tausende Kilometer langen Weg, den die Tiere dabei zurücklegen, kämen sie eben erst im April in ihre Brutregionen in Europa zurück.

Störche nisten in den Nestern, in denen sie bereits im vergangenen Jahr ihren Nachwuchs groß gezogen haben. Dass ausgerechnet heuer wieder ein Storchenpaar die Nisthilfe in Mitwitz zu ihrem Zuhause herrichtet liegt laut Schönecker daran, dass sehr viele der Tiere den Rückweg nach Europa schaffen und die Nistplätze knapp werden. Die sogenannten Westzieher, die über Spanien, die Straße von Gibraltar und Marokko nach Afrika flögen, würden die lange Reise erst gar nicht mehr antreten. "Auf den Mülldeponien in Spanien finden die Tiere genügend Futter." Durch den kurzen Hin- und Rückflug sei das Unfallrisiko für die Weißstörche geringer als bei Flügen nach Afrika. Denn Störche ließen sich von warmen Winden durch die Luft tragen, nutzten also die Thermik. Bleibe diese aus, würden sie irgendwann entkräftet abstürzen.

Mehrere Hundert Kilometer legen die Tiere laut dem Experten so an einem Tag zurück. In vier Wochen hätten sie es dann auch aus Afrika zurück geschafft. Nach einem Winteraufenthalt in Spanien seien sie bereits in zwei Wochen wieder in Deutschland.

Das Mitwitzer Paar macht sich nach seinem Rückweg nun an den Nestbau, bevor es brütet. Eigentlich sei die Gegend um Mitwitz aber nicht ideal für Weißstörche (siehe Infokasten ). Wie lange das Nisten dauert, hängt laut Schönecker von den Vorstellungen der neuen Schlossherren ab. Da unterscheide sich ihr Verhalten nicht sehr von einem Menschen, der sich sein Haus baue oder seine Wohnung einrichte. Anwohner haben insgesamt vier Störche beobachtet. Der Experte vermutet, dass die zwei anderen Artgenossen schon weiter gezogen sind.

35 Tage dauert es, bis der Storchen-Nachwuchs schlüpft. Bis zu fünf Eier im Abstand von zwei Tagen legen die Tiere in ihr Nest. In weiteren 60 Tagen könnte sich der Nachwuchs dann erstmals in die Luft schwingen. "Vor dem Herbst müssen sie flugfähig sein", meint der Experte. Denn dann zögen die Tiere wieder in den Süden.

Probleme mit Nässe und kalten Temperaturen wie derzeit die bereits im Landkreis Coburg geschlüpften Kücken dürften die Mitwitzer Jungtiere nicht haben. Denn in zwei Monaten, wenn sie schlüpften, sei es schon einige Grad wärmer.

Bis es soweit ist, kann man die beiden Mitwitzer Weißstörche wohl noch bei einigen Flügen zum Nest mit Zweigen im Schnabel beobachten.

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