Kronach Ein Freischießen ist es nicht

Rainer Glissnik

Schützenmitglied Herbert Kaiser kommt seit er denken kann jedes Jahr auf die Hofwiese. Auch am Donnerstag war er vor Ort. Er war nicht alleine.

 
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Kronach - Den 13. August haben sich viele Kronacher schon vor Monaten dick im Kalender angestrichen. An diesem Tag sollte das Freischießen mit dem traditionellen Bieranstich beginnen. Bis Corona kam und das fest abgesagt wurde. Immerhin bietet das Kronacher Schützenhaus mit seinem Team für die Zeit einen coronagerechten Biergarten an. Und dazu ein musikalisches Unterhaltungsprogramm. Am Donnerstag waren sämtliche Plätze ausgebucht. Schließlich sollen sich die Gäste unter Telefon 09261/53332 vorher anmelden, damit niemand abgewiesen werden muss. Zum Auftakt spielten Mario Bamberger und die Gaudibuam, am gestrigen Freitag die Grauen Wölfe.

Regina Fleischmann - neben Corinna Himmel, Sandra Wenzig und Irmgard Kittel Wirtin des Schützenhauses - empfängt die Gäste und zeigt ihnen die gebuchten Plätze. Später macht das dann der Sicherheitsdienst. Mit Mundschutz geht es, wie derzeit üblich, an den Platz. Dort ist er nicht nötig, nur wenn es zur Bratwurstbude oder zur Toilette geht, muss man ihn aufsetzen. Die Wirtinnen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben sich viel Mühe gegeben, ihre Veranstaltungen sicher durchführen zu können. "Die Gemeinschaft gehört einfach dazu", erklärt Regina Fleischmann. Was sie sich erhoffen? "Dass Corona weggeht."

"Wir sind schon durstig", erklärt Lukas Kraus. "Das Bier spielt jetzt keine unerhebliche Rolle, aber wir freuen uns und machen das Beste aus der Situation", erklärt der Kronacher Andy Madinger. "Es schmeckt einfach klasse", sagt Lucas Beierwaltes. "Bierprobe ist Bierprobe", macht Pablo Sommer deutlich.

"Ich war schon auf dem Kronacher Freischießen, als es nach dem Krieg wieder losging", erinnert sich Schützenmitglied Herbert Kaiser. "Seitdem bin ich da. Ich bin 1939 geboren." Jedes Jahr war er auf der Hofwiese. Er wohnte anfangs nicht weit weg vom Festplatz. "Wir waren jeden Tag heraußen." Als Kinder gingen sie durch die Bierhütten, bevor diese gekehrt wurden, und suchten nach "Zehnern". Nicht selten wurde so ein Zehnpfennigstück oder Ähnliches gefunden. "Darüber freuten wir uns."

Heuer findet alles ohne Schießen statt, bedauert Kaiser, der Mitglied der Kronacher Schützengesellschaft ist. "Man versucht halt, das Bestmögliche daraus zu machen. Aber ein Freischießen ist es nicht."

Zum Auftakt am Donnerstag fährt auch ein guter Bekannter des Freischießens auf den Schützenplatz. Ludwig Müller von "Eis Müller Nürnberg" kann Kronach während der Freischießen-Zeit nicht einfach streichen. "Meine Frau und ich verbringen jetzt unseren Urlaub hier in Kronach in unserem Wohnwagen", erklärt er seine besondere Beziehung zur Lucas-Cranach-Stadt. Bis vergangenen Montag hatte er zwei Geschäfte in Nürnberg geöffnet, um über die Runden zu kommen. Die wurden jetzt für die Urlaubszeit zugemacht. "Bis Ende August machen wir Sommerpause", sagt er.

Die Brüder Lorenz Müller und Ludwig Müller hatten von ihrem Vater Ludwig Müller senior jeder einen eigenen "Nürnberger Eispalast" bekommen. Das Geschäft des schon verstorbenen Ludwig Müller wird von dessen Ehefrau Hilda Müller und den drei Söhnen Lorenz, Ludwig und Andreas Müller betrieben. Schwester Angelika Schweitzer steht beim Freischießen mit ihrem Knusperhaus gegenüber des Autoscooters.

Die familiären Beziehungen der Familien Müller in den Kronacher Raum sind sehr intensiv. Großvater Ludwig Müller senior lernte einst beim Schützentanz seine Frau Agnes kennen. So entstand die Verwandtschaft zu Johannisthal. Die Oma hatte elf Geschwister, was für eine große Schar an Verwandten im Johannisthaler Bereich sorgte.

Dies sollte nicht alles bleiben, Amor schlug erneut zu: Alljährlich arbeiten viele junge Johannisthalerinnen während des Freischießens im "Eispalast" mit. Das war schon früher so. Auch Mutter Hilda aus Johannisthal kam einst in das Geschäft, um sich etwas dazuzuverdienen. Lorenz Müller lernte hier seine Frau kennen und so ist Johannisthal ein weiteres Mal mit der Familie "Eis-Müller" verbunden.

Auch ohne Freischießen nutzt Ludwig Müller die Zeit, sich mit Freunden und der Verwandtschaft in Johannisthal zu treffen. Wozu er sonst ja wenig Zeit hatte.

"Wir in Nürnberg sind viele Kollegen. Wir stehen jetzt oft bei Baumärkten mit Süßigkeiten und kleinen Imbissen. Es ist halt nichts Halbes und nichts Ganzes. Es ist nicht unser geregeltes Leben. Und es ist halt kein Volksfest", bedauert er die boronabedingten Absagen der großen Volksfeste in diesem Jahr. Die großen Fahrgeschäfte haben seiner Meinung nach die größten Probleme: "Für viele ist es existenzbedrohend", sagt er. Ludwig Müller befürchtet zudem, dass es gerade viele kleinere Schausteller nicht überleben werden. "Hoffen wir, dass es nächstes Jahr wieder läuft wie gewohnt", sagt er und eine gewisse Skepsis schwingt mit. "Man muss es so hinnehmen wie es ist, es bleibt nichts anderes übrig."

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