Kronach Ein Maler mit Hammer und Stecheisen

Sabine Raithel
Er gilt als "Magier des Materials": Gerd Kanz. Wo andere mit Pinsel und Grundierung arbeiten, dort beginnt er mit Hammer und Stecheisen. Foto: Sabine Raithel

Unter dem Titel "Inseln lassen - Brücken bauen" präsentiert der Kronacher Kunstverein Skulpturen des Untermerzbacher Künstlers Gerd Kanz. Ein Mann mit vielen Talenten.

 
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Kronach - Es ist dieser bestimmte Rhythmus. Wenn er ihm folgt, dann kommt er in einen besonderen, meditativen "Flow". Ähnlich dem Takt der gleichförmigen Wiederholungen eines gesprochenen Mantras schlägt Gerd Kanz mit dem Hammer auf das Stecheisen. Sensibel folgen die Hände dabei seiner inneren Eingebung, die dann am stärksten ist, wenn er ganz bei sich ist. Sein Schaffen, das sei eine spirituelle Tätigkeit, sagt Gerd Kanz. Mit rhythmischen Schlägen gräbt er mal mehr mal weniger tiefe Schrunden und Furchen, Gitter und Netze in das Holz, das ihm als Malgrund dient. So entsteht die für seine Arbeiten typische Bildtektonik, die rau und zerklüftet an erstarrte Lava, ausgetrocknete Flussläufe, rissige Mauern oder bemooste Felsen erinnert.

Ausstellung

Gerd Kanz wurde 1966 in Erlangen geboren und wuchs in Coburg auf. Studium der Malerei an der Akademie der Bildenden Künste Nürnberg bei Ludwig Scharf und Johannes Grützke, Meisterschüler. Zahlreiche internationale Ausstellungen sowie Preise und Anerkennungen, unter anderem Red Dot Award für Kommunikationsdesign, Förderpreis der Stadt Coburg und Kulturpreis des Landkreises Hassberge. Gerd Kanz lebt und arbeitet in Untermerzbach/Hassberge und Pombia (Griechenland).

Gerd Kanz: "Inseln lassen - Brücken bauen" 13. September bis 25. Oktober|

Kronacher Kunstverein, Siechenangerstraße 13

Öffnungszeiten: donnerstags bis sonntags, jeweils von 15 bis 18 Uhr

Der Eintritt ist frei.


Gerd Kanz malt mit den Werkzeugen eines Bildhauers. Als Student an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg hat er erstmals zu Hartfaserplatten gegriffen. Aus Geldnot, da er sich teure Leinwände nicht leisten konnte. Dann stellte er fest, dass die Holzplatten viel mehr aushalten können als andere Malgründe. Mit seiner Art des Malens "verletzt" er das Holz, wie er sagt. Er versorgt die rissige und zerfurchte Oberfläche anschließend mit Öl und Tempera, mit Pigmenten und Eisenstaub. Durch fortwährendes Schichten, Überlagern und Durchdringen wächst der Bildraum.

Farbe ist hier mehr als bunte Verführung. Sie ist im Schaffen von Gerd Kanz auch plastischer Werkstoff, der den Weg in die dritte Dimension bahnt. Sie ist weitere Komponente einer einzigartig sinnlichen Bildoberfläche. Der Künstler schafft so Texturen, die den Geist des Vergänglichen in sich tragen, wie die morbide Aura getrockneter Blüten, zerbrochenem Glases, rostigem Metalls oder keramischer Scherben. Organisch wirken auch seine Skulpturen: oft hohe Stelen mit Blüten oder durchbrochenen Bögen.

Der 54-jährige Untermerzbacher, der als "Magier des Materials" beschrieben wird, baut Brücken zwischen Malerei und Bildhauerei, Farbe und Material, Raum und Zeit, Natur und Mensch, bildender Kunst und Poesie.

2017 gab die evangelische Kirche in Deutschland eine limitierte Sammleredition der Lutherbibel heraus. Zwölf Prominente, darunter Fußballtrainer Jürgen Klopp, die Schauspielerin Uschi Glas oder auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und bayerische Landesbischof, Heinrich Bedford-Strohm, gestalteten jeweils individuelle Cover. Auch Gerd Kanz gehörte zu der illustren Runde der Gestalter. Das Sinnbild der christlichen Kirche, das Kreuz, ist ein wichtiges, immer wiederkehrendes Thema in seinem Werk. "Meine Bilder wachsen", sagt der Künstler. "Es geht um das Streben nach oben und zur Seite. Diese Bewegung formt sich letztlich zu einem Kreuz. Wirklich klar geworden ist mir das in meinem Garten."

Risse, Furchen, Winkel, historisches Mauerwerk und satte Blütenpracht - was Gerd Kanz in seinen Bildskulpturen festhält, das findet sich auch in seinem Zuhause. Gemeinsam mit seiner Frau wohnt er in der historischen Brauerei von Untermerzbach. Vor fast 20 Jahren hat er das seinerzeit völlig marode Gebäude erworben und größtenteils eigenhändig renoviert. Geschaffen hat er hier einen ganz besonderen Ort zum Leben und zum kreativen Arbeiten - und eines der schönsten, naturnahen Gartenparadiese der Region. Hier hat er den Raum, den er braucht, um seine Bilder und Skulpturen werden zu lassen. In einem großzügigen Nebengebäude hat er eine Art Galerie eingerichtet. Umgeben von üppigem Grün kommen in dem schroffen, historischen Gemäuer seine Arbeiten besonders gut zur Geltung. Draußen, unter einer riesigen Pergola, hält er im Sommer Malkurse ab. "Maler sind gewissermaßen Gärtner im philosophischen Raum", resümiert Kanz. "Maler und Gärtner graben den Boden um und erkunden dessen Beschaffenheit, ehe sie etwas ganz Bestimmtes hineinpflanzen - immer in der Hoffnung, es möge gerade dort gut gedeihen. Manchmal pflanze ich Fragen und manchmal wächst daraus eine Antwort. Ich male und pflanze und staune über das Wachsen der Dinge."

Ein unbestimmter Zauber liegt hier über der alten Brauerei im Itzgrund. Und Gerd Kanz wirkt tatsächlich wie ein stiller Magier, ganz bei sich, ganz im Augenblick versunken, wenn er alleine in seinem Atelier steht, auf seiner "Insel", umgeben von den riesigen, farbigen Bildskulpturen. Seine Kunst ist eine Liebeserklärung an die Natur, an das Leben und an die Schönheit, die der Schöpfung innewohnt.

Bilder