In England war Roloff aufgefallen, dass es dort mehrere glaubhaft nachgewiesene über 1000 Jahre alte Bäume gibt. Die stehen meist auf Kirchhöfen. Er stellte sich die Frage: Was machen wir falsch in Deutschland, dass es solche hier nicht gibt? Ein Grund seien die günstigen Bedingungen ohne Kriege, ohne Holznot. In Deutschland ist man zudem stets besorgt, dass kein Schaden durch solche Bäume entsteht. Der sicherste Baum hier ist ein Baum ohne Äste, beklagte er die Verstümmelungen. "Es nimmt Ausmaße an, die mich erschaudern lassen." Er verlangt, ein Bewusstsein für diese alten Bäume zu entwickeln. Mit dem Projekt "Naturerbe Baum" entwickele sich etwas, 130 Vorschläge wurden bereits eingereicht.
"Es ist die erste Eiche unter den Nationalerbe-Bäumen", betonte Professor Roloff in Nagel. Es ist der erste Baum im Freistaat Bayern - und es ist der erste private Baum. Zunächst soll in jedem Bundesland ein solcher Baum gefunden werden. Der Nageler Baum wird lange der einzige in Bayern bleiben. Letztlich sind es zehn Baumarten, die hierfür infrage kommen: Das sind Stiel- und Traubeneichen, Winter- und Sommerlinde, der Ginkgo als nicht heimische Baumart, Lärche und Bergahorn im Gebirge oder die Esskastanie. Die Eibe könne wohl auch 2000 Jahre alt werden.
Wie mag diese Eiche in 500 Jahren aussehen? Denn diese Lebenszeit traut Roloff ihr zu. Sicher seien in der Eiche Hohlräume, aber sie sei standhafter als ein jüngeres Exemplar und habe wohl 81 Kubikmeter Holz. "Damit spielt sie in der obersten Liga in Deutschland." Sie hat einen ungewöhnlich geraden, astfreien Stamm - ein sicheres Zeichen, dass sie schon länger beschattet wurde. Eindrucksvoll seien die Rindenspalten und Borkenschuppen. "Es ist ein Charakterbaum" mit enormer Ausstrahlung. Jeder dieser älteren Bäume sei einzigartig. Die Eiche gehört zu den robusten Baumarten, die meisten kommen auch mit Trockenjahren zurecht. Die Eiche ist Lebensraum für 600 Insekten- und etliche Vogelarten. Kaum vorstellbar, was hier seit Jahrhunderten in der Krone an Lebensgemeinschaften zu Hause ist. Die alten Bäume sind Lebensraum wie kein anderer, weswegen sie so besonders wertvoll sind.
"Was für Schätze haben wir hier in unserer Natur", freute sich stellvertretender Landrat Gerhard Wunder. Der Standort soll einst ein germanischer Thingplatz gewesen sein, wo Volks- und Gerichtsversammlungen stattfanden. Diese wurden immer an wichtigen Handelsstraßen gebaut. Gerne können Menschen diesen faszinierenden Baum anschauen. Eindringlich wird aber gebeten, die Wurzeln nicht zu betreten und Rücksicht zu nehmen. Diese Bäume haben unendlich viel miterlebt.
Hubertus von Künsberg sagt: "Vor 30 Jahren übergab mir mein Vater den Besitz und damit auch die Verantwortung für diese Eiche." Dass diese Eiche nun so dasteht, dafür könne er nichts. Es gibt Menschen, die sagen, in diesem Bereich gebe es bestimmte Sensibilitäten, Auren. "Vielleicht ist es ja auch nur Glück, dass diese Eiche so alt geworden ist." Manchmal werde gesagt, in der Nageler Eiche könnten noch schwedische Kugeln stecken. Die Schweden waren im Dreißigjährigen Krieg in dieser Gegend.
Nicht weit entfernt gab es einmal eine Pflasterstraße entlang der Rodach, die Künsbergs Vater immer als Napoleonstraße bezeichnete. Wegen einer Renaturierung wurde diese Straße beseitigt, die Napoleon anlegen ließ, als er zur Schlacht nach Jena zog (1806). 1842 wurde das Gut Nagel gebaut. Der Bedarf an Holz war riesig. Aber niemand tastete die Eiche an, auch nicht bei späteren Bauten. Dazu kamen extreme Stürme, welche diese Eiche überstand.
"Wir sind stolz, dass wir dieses Geschenk der Natur, die 1000-jährige Eiche, bei uns haben", war der Küpser Bürgermeister Bernd Rebhan sichtlich froh. Küps habe acht Schlösser und eindrucksvolle Naturhöhepunkte. Klarinettenspieler der Musikschule Küps sorgten für eine faszinierende Umrahmung. Katharina Edlinger von der Eva-Mayr-Stihl Stiftung war dabei und machte sich vor Ort ein Bild von der stattlichen Eiche. Der Obst- und Gartenbauverein sorgte für die Bewirtung.