Kronach Kein Platz für Leisetreter

Von Stephan Stöckel

"Die Festung rockt" seit zehn Jahren - und 2000 Fans feiern mit. Es ist ein Festival mit An- und Aussage.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kronach - Es ist ein Moment für das Kronacher Rock 'n' Roll-Geschichtsbuch: Bassist Stefan Ladwig von der Rostocker Punkband "Dritte Wahl" lässt sich zwischen historischen Burgmauern mit weit ausgebreiteten Armen in ein Meer aus zweitausend Fans fallen. Ein vielstimmiger Chor schmettert die Hymne vom "Fliegen" und das besungene Gefühl, über den Dingen zu stehen, wird lebendig. Publikum und Band werden zu einer verschworenen Gemeinschaft und schweben in ihrer ganz eigenen Punk-Welt. Die Rostocker Altpunker, die rund 30 Jahre auf dem Buckel haben, rockten am Samstag die Festung Rosenberg und waren für viele Festivalbesucher die erste Wahl, auch wenn die "Donots" im Programm einen Rang über ihnen standen.

"Die Festung rockt", das Festival des Jugend- und Kulturtreffs Struwwelpeter, feierte in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Das schönste Geschenk machten sich die Veranstalter selbst: Mit den "Donots" hatten sie eine der erfolgreichsten Hitmaschinen des Punk-Rock engagiert. Doch an diesem lauschigen Frühlingsabend geriet der Motor zunächst ins Stocken: Erst nach einer gründlichen technischen Überprüfung, die die Fans auf eine harte Geduldsprobe stellte, fegten die Unruhegeister aus Ibbenbüren mit Karacho, so der Titel ihres aktuellen Albums, über die Bühne. Mit ihrem wunderschönen Pop-Rock-Song "Stop The Clocks", der vom Anfang bis zum Ende einen Hauch von Melancholie verströmte, zauberten sie einen Moment für die Ewigkeit auf die Burg, bei dem das Publikum aus voller Kehle mitsang.

"Die Festung rockt" ist seit zehn Jahren ein Festival mit An- und Aussage. Leisetreter und Duckmäuser sind hier fehl am Platz. Und das fängt schon beim Essen an: Warum sollte man kochen ohne Knochen? Das demonstrierte die Volxküche Kronach auf witzige-provokante Weise an ihrem Stand. Dass die alten Recken von der Gruppe "Dritte Wahl" Giftpfeile in Richtung Politik verschießen würden, war klar. Die Überraschung des Tages kam von der Münchner Band "GWLT" (ausgesprochen "Gewalt"), die nicht nur mit ihrem fetten Hardcore-Sound, sondern vor allem durch die gesprochenen Botschaften von Sänger David Mayonga aufhorchen ließen. "Wenn man als farbiger Junge in der bayerischen Provinz aufwächst, dann bleibt einem nichts anderes übrig, als Klartext zu reden", erklärte der Frontmann gegenüber der Neuen Presse . Er gehört zu jener Spezies, die davon überzeugt ist, mit Worten etwas bewegen zu können. Und so freute sich der Künstler, dem Toleranz und Völkerverständigung ein Herzensanliegen ist, unbändig über einen Fan, der eine Flagge mit der Aufschrift "Flüchtlinge Willkommen!" schwenkte.

Sie sorgen alle Jahre wieder auf der Festung für jede Menge Fröhlichkeit: die Ska-Bands, ohne die die Veranstaltung schon nicht mehr denkbar ist. In diesem Jahr waren es die Gruppen "Prosecution" aus Abensberg in Niederbayern und "Buster Shuffle" aus London, die gute Laune in die Herzen von Alt und Jung zauberten. Frontmann Dave Grunewald von der Band "Annis Okay" aus Halle und Leipzig schrie sich in die Herzen der Zuhörer und wurde für die Hardcore-Jünger zum Messias.

Sich einen Tag lang wie ein Rockstar fühlen - dieser Traum ging für den Lichtenfelser Singer- und Songwriter Sandro Weich (Künstlername "He Told Me To"), die Nailaer Hardrock-Band "Pistol Nose Puma" sowie die Kronacher Punk- und Alternative-Rock-Gruppen "Ronzn und die Zauberschnecken" und "The Sloth Effect" in Erfüllung. Im Backstagebereich waren sie auf Du und Du mit ihren großen Idolen. "Die Jungs von 'Dritte Wahl' sind locker drauf. Sänger Gunnar erzählte mir, dass er sich beim Fußballspielen die Bänder gerissen hat", plauderte Ronzn-Sänger André Völk aus dem Nähkästchen. Ein paar Stunden später gab dieser dann mit Gipsfuß alles. Allerdings nicht, wie Dave Grohl von den "Foo Fighters", auf einem Thron residierend, sondern locker vom Hocker. Bescheidenheit ist schließlich auch eine Tugend.

Bilder