Tettau Todesstoß für die "Königliche"

Die älteste bayerische Porzellanfabrik in Tettau schließt. 15 Mitarbeiter sind betroffen. Was für sie wohl eine Katastrophe ist, könnte für das Ortsbild eine Riesen-Chance sein.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das Gerücht verbreitet sich in Tettau wie ein Lauffeuer: Die "Königlich privilegierte Porzellanfabrik" steht vor dem Aus. Wie der Prokurist der "Königlichen", Uwe Motzke, auf NP -Nachfrage mitteilt, haben tatsächlich alle 15 Mitarbeiter in der vergangenen Woche ihre Kündigung erhalten. Die Fabrik schließt ihre Pforten endgültig Ende Mai. In dem Werk, das zur Firmengruppe Seltmann Weiden gehört, sei zuletzt noch Weiß-Porzellan für Becher und Gießartikel aller Art hergestellt worden. "Das wird künftig in Weiden gemacht", sagt Uwe Motzke.

Zur Geschichte des Unternehmens

Die "Königlich privilegierte Porzellanfabrik Tettau" besteht seit mehr als 200 Jahren und ist damit die älteste Porzellanfabrik in Bayern. Der große Naturforscher Alexander von Humboldt selbst setzte sich 1794 für ihre Gründung durch das Privileg des preußischen Königs Friedrich Wilhelm II. ein. Schon bald galt Tettau-Porzellan bei Hofe wie in Adelskreisen als Porzellan par excellence und Ausdruck feinster Tischkultur.

Knapp 100 Jahre später arbeiteten bereits über 200 Angestellte unter anderem als Former, Dreher, Glüher, Brenner, Bunt- und Blaumaler in den Fertigungshallen in Tettau.

1918 ging die Leitung an Max Wunderlich über. Er ließ nach dem Zweiten Weltkrieg die Produktion vom preiswerten Gebrauchsgeschirr auf feines Kaffee- und Teeservice umstellen. Das wurde weltweit als echte, überwiegend handgefertigte Kostbarkeit gehandelt. "Der Wunsch, immer besser und den Erfordernissen der heutigen Zeit gerecht zu werden, treibt uns ständig an. Mit der Erfindung eines speziellen Hartporzellans, das wir unter dem Namen Diamant vertreiben, gelingt Königlich Tettau in den Jahren 2010/2011 eine Weltneuheit: die Verbindung der porzellinen Ästhetik von cremefarbenem Weichporzellan mit der Gebrauchsfestigkeit eines Hartporzellans", heißt es auf der Homepage des Unternehmens, das seit 1957 zur Firmengruppe Seltmann Weiden gehört.

Am Boden jeder Tasse aus Tettauer Porzellan findet sich die berühmte T-Signatur mit dem Löwen, dem königlich stolzen Wappentier. Jedes der international begehrten Sammlerstücke trägt dieses unverwechselbare Qualitätssiegel, das für eine lange handwerkliche Tradition und höchste Qualität bürgt. Kenner schätzen besonders die aufwendige händische Verarbeitung des Porzellans, seine Feinheit in jedem einzelnen Detail und die unübertroffene Transparenz.

Die Gründe für die Schließung in Tettau seien vielschichtig. Zum einen befinde sich die Branche seit 30 Jahren im Sinkflug. "Eigentlich seit Hersteller aus Fernost ihre Waren ohne Zölle importieren können", meint er. Man müsse nur einmal mit offenen Augen durch ein Möbelhaus laufen. Dort werde Porzellan quasi zu Dumpingpreisen verscherbelt. "1991 haben in unserer Branche in Deutschland noch 30.000 Menschen gearbeitet. Heute sind es 3300." Diese Zahl sage eigentlich schon alles.

Seltmann Weiden hat laut Uwe Motzke bereits vor einem Jahr einen Aushang in Tettau gemacht mit dem Angebot, dass jeder Mitarbeiter in Weiden einen Job angeboten bekäme. "Aber unsere Leute hier sind alle regional verwurzelt. Da hat sich keiner gemeldet", erklärt der Prokurist. In Tettau habe man bereits 2012 und 2015 jeweils 25 Mitarbeitern gekündigt.

2012 habe man die technischen Teile der Weißfertigung nach Weiden verlagert. "Alles, was wir an Flachgeschirr produziert haben, also Untertassen, Teller, Pressartikel ging nach Weiden", berichtet Uwe Motzke. Da der Tunnelofen nur bis zu 40 Prozent ausgelastet gewesen sei, habe man ihn Ende 2012 abgeschaltet. Im Jahr 2015 sei dann der Buntbetrieb nach Weiden ausgelagert worden. "Aber auch diese Maßnahme hat am Ende nicht geholfen. Der Markt gibt es einfach nicht mehr her. Alle Versuche, den Standort zu halten, sind gescheitert. Es musste ein Schlussstrich gezogen werden", bedauert er.

Vor zwei Jahren habe Christian Seltmann die Geschäftsführung in Tettau übernommen. "Mit dem festen Willen, dass es hier weitergeht. Aber trotz vieler, vieler Maßnahmen hat sich die Umsatz-Situation nicht verbessert, sondern eher noch verschlechtert", sagt Uwe Motzke. Das sei aber kein Problem des Standorts Tettau, sondern ein branchenweites. Weimar Porzellan aus Blankenhain, einer der ältesten Porzellanhersteller Europas, habe beispielsweise im Frühjahr Insolvenz angemeldet. Vor ein paar Wochen habe die Porzellanfabrik Friesland angekündigt, dass sie im nächsten Jahr die Produktion einstellen werde. "Die Schließung in Tettau ist traurig, vor allem für die Mitarbeiter, die so lange mitgekämpft haben. Das sind alles langjährige Mitarbeiter, die meisten sind schon über 50 Jahre alt", sagt der Prokurist.

Was mit dem riesigen Gebäude-Komplex mitten in Tettau passiert, ist derzeit noch unklar. Uwe Motzke erklärt, man habe sich mit Bürgermeister Peter Ebertsch (BfT) in Verbindung gesetzt. Der wolle nun Kontakt zur Regierung von Oberfranken aufnehmen. Uwe Motzke: "Das warten wir ab. Wie es mit dem Gelände weitergeht, kann man jetzt noch nicht sagen. Das ist noch komplett offen."

Rathauschef Peter Ebertsch zeigt sich betroffen vom Aus der Porzellanfabrik: "Das ist schade um ein Traditions-Unternehmen und um jeden einzelnen Arbeitsplatz. Dahinter verbergen sich ja persönliche Schicksale." Heutzutage habe eben keiner mehr etwas übrig für hochwertiges Porzellan. Nun hoffe er, dass Seltmann Weiden die Verantwortung für den Gebäude-Komplex übernehme. "Nicht, dass mitten im Ort ein Schandfleck entsteht." Frei nach dem Motto: Zaun drumherum bauen und das Ganze dann sich selbst und den Ratten überlassen.

Für Peter Ebertsch gibt es jetzt nur eine Option: den Abriss. Doch der kostet wohl über zehn Millionen Euro. Das habe man bereits im Rahmen einer Studie zur Aufwertung des Geländes untersuchen lassen. "Ich hoffe, dass Seltmann Weiden sich hier einbringt, auch finanziell. Man kann ja die Gebäude nicht einfach verfallen lassen. Da müssen wir gemeinsam nach Lösungen suchen", sagt er und betont, dass er mit Vertretern der Regierung über Fördermöglichkeiten reden werde. Verschiedene Programme kämen dafür in Frage, sodass man vielleicht sogar bei einer 90-prozentigen Förderung liege. 90 Prozent von zehn Millionen Euro bedeuten allerdings immer noch eine Million.

"Aber wir müssen das rückbauen, begrünen und dann Bauplätze draus machen. Das wäre städtebaulich ein Mammut-Projekt und ein Vorzeige-Projekt für ganz Bayern", erklärt der Tettauer Rathauschef. Insgesamt redet man hier von einem Gelände über 14.000 Quadratmeter. Geht man von 800 Quadratmeter großen Grundstücken aus, könnte man dort fast 18 Einfamilien-Wohnhäuser bauen.

Autor

Bilder