Hanau/Bayreuth Attentäter mietete Wohnung in Hof

Sören Göpel, ,

Tobias R. kannte sich in Oberfranken aus: Er studierte in Bayreuth und wollte noch im Herbst offenbar nach Hof ziehen. Bei seiner Bluttat in Hanau starben zehn Menschen.

 
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Hof/Bayreuth/Hanau - Der Todesschütze von Hanau hat im vergangenen Herbst eine Wohnung in Hof angemietet. Demnach wollte Tobias R. am Unteren Tor in der Hofer Innenstadt einziehen. Kurze Zeit nach der Vertragsunterzeichnung soll R. den Kontrakt wieder gekündigt haben. Der Vermieter der Wohnung ist der Redaktion bekannt. Er wohnt in München und wollte sich auf Nachfrage nicht weiter äußern. Den Mietvertrag habe damals eine Firma aus Hof abgewickelt, die dem Immobilienmakler aus Südbayern zuarbeitet. Wie unsere Zeitung aus Sicherheitskreisen erfuhr, soll sich R. in Hof im Umfeld von Shisha-Bars aufgehalten haben. Damit stellt sich die Frage, ob die Region einem Terroranschlag nur knapp entkommen ist.

Bei dem offenbar rechtsradikalen und rassistischen Anschlag in Hanau hat der 43-jährige Deutsche im hessischen Hanau zehn Menschen und sich selbst erschossen.

Der Generalbundesanwalt zog den Fall noch in der Nacht zu Donnerstag an sich und ermittelt wegen Terrorverdachts. Tobias R. kommt Behördenangaben zufolge aus Hanau, lebte aber zeitweise auch in Bayreuth und in Oberbayern. Bei der Gewalttat am späten Mittwochabend an mindestens vier verschiedenen Tatorten in Hanau seien neun Menschen gestorben, sagte Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) am Donnerstag im Landtag in Wiesbaden. Der Sportschütze habe nach der Tat in der eigenen Wohnung erst seine Mutter und dann sich selbst erschossen. Außerdem wurde ein Mensch schwer verletzt, mehrere andere verletzt. Die neun Toten hatten allesamt einen Migrationshintergrund, fünf davon sollen türkische Staatsbürger gewesen sein.

Am Tag nach der Blutnacht von Hanau steht fest: Tobias R. hat zwischen 2000 und 2007 in Bayreuth studiert und bereits hier müssen sich Anzeichen für seine schwere psychische Erkrankung gezeigt haben. Ersteres bestätigte am Donnerstag die Universität Bayreuth, Zweiteres geht aus einem 24-seitigen Manifest hervor, das unserer Zeitung im Wortlaut vorliegt. Es soll genau einen Monat vor dem Amoklauf verfasst worden sein und hinterlässt beim Leser den Eindruck eines schwer psychisch kranken Menschen mit geschlossenem rassistischen Menschenbild. Dies bestätigte am Donnerstag auch Generalbundesanwalt Peter Frank. Er spricht dem Täter eine "zutiefst rassistische Gesinnung" zu. Das habe die Auswertung von Videobotschaften und des Manifests auf dessen Internetseite ergeben, sagte Frank in Karlsruhe.

In dem Pamphlet ist ein abgrundtiefer Hass auf andere Völker, "Türken, Marokkaner, Libanesen, Kurden etc." erkennbar. Diese Völker seien "instinktiv äußerlich abzulehnen und haben sich zudem in ihrer Historie als nicht leistungsfähig erwiesen." Offen propagiert R. die komplette Vernichtung ganzer Völker als "Grob-Säuberung". Dem müsse sich allerdings eine "Fein-Säuberung" anschließen, die weitere Erdteile und natürlich "das eigene Volk" umfasst.

Dem Fremdenhass gegenüber steht eine auffallende Überheblichkeit, wenn es um die eigene Person geht. Folgt man R., dann hat er nicht nur den USA eine Überlebensstrategie als Supermacht entworfen, die das Land schon befolgt, sondern auch dem DFB den Weg zum Erfolg gewiesen. Etliche Ereignisse der Weltgeschichte und selbst der Inhalt neuerer Hollywood-Filme gingen auf seinen Willen zurück.

Wie die Uni Bayreuth am Donnerstag bestätigte, hat R. sein Studium im September 2000 aufgenommen und im März 2007 mit einem Diplom in Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Internationales Management, abgeschlossen. Er selbst gibt an, dass er zuvor in Hessen eine Banklehre absolvierte, der Schwerpunkt Internationales Management sei auf seine Anregung in Bayreuth eingerichtet worden.

Mit großer Wahrscheinlichkeit traten schon während des Studiums in Bayreuth Anzeichen einer schweren psychischen Erkrankung zutage. Wie er selbst schreibt, fühlt sich R. praktisch seit seiner Geburt von Stimmen in seinem Kopf verfolgt. Nicht genauer benannte Geheimdienste überwachten ihn rund um die Uhr. Dies sei auch ein Grund dafür, dass er noch nie eine Beziehung mit einer Frau eingegangen sei, schreibt der 43-Jährige. Eine Ahnung davon habe er schon immer gehabt, doch in Bayreuth sei dies erstmals zur Gewissheit geworden. Er sei nach Oberfranken gegangen, um "dort endlich eine attraktive Frau kennenzulernen". Zweimal, in den Jahren 2002 und 2004, habe er bei der Bayreuther Polizei Strafanzeige wegen "illegaler Überwachung" gestellt. Dies wollte das Polizeipräsidium Oberfranken auf Anfrage unserer Zeitung am Donnerstag nicht kommentieren. 2019 habe er weitere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft in Hanau und beim Generalbundesanwalt gestellt. Vor diesem Hintergrund stellt sich vor allem die Frage, wie Tobias R. trotz seiner offensichtlichen schweren Geisteskrankheit Sportschütze sein und somit an scharfe Waffen gelangen konnte. Ungeklärt bleibt auch, wo sich R. mit diesem Fremdenhass auflud.

Der Täter studierte zeitgleich mit der späteren AfD-Politikerin Alice Weidel Betriebs- und Volkswirtschaftslehre in Bayreuth. Ob sie sich kannten oder gemeinsam Lehrveranstaltungen besuchten, ist unbekannt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel verurteilten die Tat.

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