Hof - Ein neuer Zeugnistermin im November: Mit der Veröffentlichung des ersten "Deutschen Lernatlas" hat die renommierte Bertelsmann-Stiftung zum Wochenbeginn ein Bild der schulischen Leistungen und der Bildungschancen in ganz Deutschland gezeichnet. Die Grundtendenz: Je südlicher, desto erfolgreicher. Wer in Bayern und Baden-Württemberg zur Schule geht, hat mit Abstand die besten Zukunftschancen. Auch Oberfranken gehört zu den Gewinnerregionen.

Ein genauerer Blick in die Einzelergebnisse des Bildungsatlas offenbart aber dennoch Unterschiede. So zum Beispiel zwischen der Stadt Bamberg, die im bundesweiten Vergleich der 43 kreisfreien Klein- und Mittelstädte den ersten Platz erreichte, und der Stadt Hof, die nur auf den 21. Platz kam. Auffallend ist, dass in Hof die Quote der Sitzenbleiber fast doppelt so hoch ist wie in Bamberg. In Hof bleiben 17,61 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss, in Bamberg nur 10,17 Prozent. Selbst das liegt jedoch noch deutlich über dem bayerischen Wert von sechs Prozent. Dass Bamberg bessere Werte bei der Frage nach dem Angebot von Studienplätzen erzielt, verwundert allerdings weniger, da die dortige Universität viel größer ist als die Hofer Hochschule. Beim sozialen Engagement - auch dies ein Feld des Lernens - übertrifft Hof die Domstadt deutlich. Dennoch liegt Hof in der Gesamtrechnung nicht nur hinter Bamberg, sondern auch hinter Coburg (Platz 4) und Bayreuth (16).

Direkte Schlüsse auf die Schulleistungen lässt der Lernatlas übrigens nicht zu. Wie Dr. Miika Blinn, einer der Mitautoren der Studie, im Gespräch mit der Frankenpost einräumte, fehlen dafür die Daten. Die Ergebnisse der jährlichen Pisa- und Iglu-Tests gibt es nur auf das jeweilige Bundesland bezogen. So bekamen alle Städte und Landkreise die Spitzennote, die Bayern hier erreichte.

Blinn spricht von einem "gigantischen Echo" der Studie: "Seit Montag stehen bei uns die Telefone nicnt mehr still." Eltern, Lehrer und Landräte aus ganz Deutschland lassen sich die Ergebnisse ihrer Region erklären. Auch Christa Tschanett, Leiterin des Staatlichen Schulamts für Stadt und Landkreis Hof, kündigte an: "Wir werden uns die Ergebnisse der Studie genau ansehen."

Deutliche Unterschiede sind auch beim Blick auf die oberfränkischen Landkreise auszumachen. Besonders glänzt der Landkreis Bayreuth, der unter den 75 Landkreisen ländlicher Prägung ganz Deutschlands auf den vierten Platz kam. Ihn zeichnete die Bertelsmann Stiftung als einen der "Hidden Champions" aus. Das sind Städte und Landkreise, die ein deutlich besseres Ergebnis erreichten, als ihre wirtschaftliche Lage dies erwarten ließe. Die Autoren halten sie für potenzielle Aufsteigerregionen.

Innerhalb Oberfrankens folgen die Landkreise Hof (16.), Wunsiedel (23.) und Kulmbach (33.). Besonders deutlich werden auch die Unterschiede bei der Frage nach den Schulversagern. Während im Landkreis Bayreuth nur 1,87 Prozent der Jugendlichen die Schule ohne einen Hauptschulabschluss verlassen, sind es im Landkreis Wunsiedel 8,65 Prozent, also mehr als viermal so viel. Die Landkreise Kulmbach (4,57 Prozent) und Hof (3,5 Prozent) liegen zwischen diesen Werten. Auffallend ist auch, dass im Landkreis Wunsiedel die Quote der Klassenwiederholer mit 7,58 Prozent weit über dem Niveau der oberfränkischen Kollegen liegt.

Einen Spitzenwert erreicht der Landkreis Wunsiedel allerdings bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Über 66 Prozent der Menschen, die eine berufliche Weiterbildung angetreten haben, gelingt der Einstieg in den Arbeitsmarkt, im Landkreis Hof sind es 59 Prozent. Zum Vergleich: Im Landkreis Kulmbach liegt diese Quote bei mageren 38 Prozent. Bemerkenswert hoch ist im Landkreis Wunsiedel das Angebot von Einrichtungen der Jugendpflege.

Dafür sind die Wunsiedler auf dem Feld des sozialen Lernens ausgesprochene Feuerwehrmuffel. Nur 4,38 der Bürger engagieren sich für die Brandschützer, im benachbarten Landkreis Bayreuth sind es mehr als doppelt so viele. Durchweg schlecht ist in Oberfranken die Bereitschaft, das Angebot der öffentlichen Bibliotheken zu nutzen, wobei dies auch eine Frage des Angebots sein könnte.

Schlechte Noten sind aber auch im Fall des Lernatlas kein Grund zum Verzweifeln. Auch aus Verliererregionen kann man es ganz nach oben schaffen. Zum Beispiel aus der Uckermark, die bei den Kreisen im ländlichen Raum auf dem allerletzten Platz landete. Hier ist die Kanzlerin zur Schule gegangen.

Alle Detailergebnisse gibt es im Internet unter

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www.deutscher-lernatlas.de

Wie die Gutachter zu ihren Noten kommen

Wie bewertet man die Lernerfolge und das Lernangebot einer gesamten Industrienation mit 16 Bundesländen samt seiner 412 Landkreise und kreisfreien Städte? Um zu einem aussagekräftigen Ergebnis zu kommen, haben die Autoren des "Deutschen Lernatlas 2011" zunächst sechs Kategorien von Städten und Landkreisen geschaffen. Schließlich macht es keinen Sinn, die Stadt Köln mit dem Landkreis Hof zu vergleichen; dafür sind die Ausgangsbedingungen zu verschieden. Weil Lernerfolge sich nicht nur in Schulnoten dokumentieren, wurden zudem vier verschiedene Kategorien von Bildungsstätten untersucht.

Im Mittelpunkt der Studien stehen das "Schulische Lernen" und das "Berufliche Lernen". Die Ergebnisse wurden mit zwei Dritteln für die Ermittlung der Rangziffer gewertet. Die Ergebnisse aus schulischen Vergleichstests von der Lesekompetenz der Grundschüler über die berühmten Pisa-Tests bis zur Sitzenbleiber-Quote flossen hier ebenso ein wie die Erfolge beim Abschluss der Berufsausbildung und Maßnahmen zur Eingliederung am Arbeitsmarkt.

Unter der Überschrift "Soziales Lernen" wurde das Engagement der Bürger in Feuerwehr und Rotem Kreuz ebenso erfasst wie die Wahlbeteiligung. Beim "Persönlichen Lernen" untersuchten die Autoren der Studie, welches Angebot jedem Bürger zu seiner persönlichen Weiterbildung zur Verfügung steht und wie es genutzt wird. Dies reicht vom Besuch in Museen und Theatern bis zur Verfügbarkeit von schnellen Internetzugängen.