Bad Alexandersbad - "Deutschland! Ein letztes Wort! Ein Wunsch! Befehl!! Deutschland!!! Erwache! Entflamme!! - Entbrenne! Brenn ungeheuer!!" Diese letzten Worte hat der Schriftsteller Hanns Johst in seinem Drama "Schlageter" dem 1923 von Franzosen hingerichteten Albert Leo Schlageter in den Mund gelegt. Johst, erster Dramaturg des Staatlichen Schauspiels Berlin und begeisterter Nationalsozialist, entsandte zum "Führer-Geburtstag" 1933 den Druck dieses Dramas als Geschenk an Adolf Hitler. Und erhoffte sich, "dass Sie, sehr verehrter Herr Reichskanzler, der Uraufführung, die an ihrem Geburtstag stattfindet, anwohnen würden. Ich zeichne mit dem Ausdruck unverbrüchlicher Ergebenheit."

Ein Ausschnitt aus einem der zigtausend Briefe, die dem Diktator zugingen. Dr. Henrik Eberle hat dieses Material in Moskauer Militärarchiven entdeckt und die Briefe an Adolf Hitler erstmals systematisch ausgewertet und in einem Buch kommentiert. "Treudeutsche Grüße - Briefe an Hitler" hieß sein ungewöhnlicher Vortrag, den er vor zahlreichen Zuhörern auf Einladung der Projektstelle gegen Rechtsextremismus im Evangelischen Bildungs- und Tagungszentrum Bad Alexandersbad hielt.

"Ich habe 20 000 dieser Briefe gesehen, gelesen und gebündelt. Sie werfen ein aufschlussreiches Bild auf jenes Deutschland", berichtet der promovierte Historiker. Während seiner Arbeit in den Moskauer Sonderarchiven für das "Buch Hitler" - das längst ein internationaler Bestseller geworden ist - stieß er auch auf diese Schreiben. "Ich wollte wissen, wie Hitler mit der Bevölkerungspost umging und ob sie inhaltlich neue Erkenntnisse birgt." Die Zahl der Briefe, die Hitler erhielt, zeige eine Popularitätskurve: "1925 passten die Schreiben in einen einzigen Aktenordner. Von Januar bis April 1933 waren es über dreitausend Briefe, am Ende des Jahres werden es fünftausend Schreiben gewesen sein. 1934 gingen mindestens zwölftausend Briefe ein. Zu seinem Geburtstag im April 1945 gratulierten Hitler weniger als hundert Personen."

Fast reine Männersache seien die ersten Briefe ab 1925 gewesen. "Es waren eher politische Abenteurer, die hier Fragen stellten und ihre Meinung niederschrieben", stellt Eberle fest. Sieben Jahre später sei es dann mit den Bewunderungsschreiben und den Geschenken losgegangen. So habe er von Verehrerinnen gerne Hustentee oder Honig zugeschickt bekommen. Doch die Bewunderung für Hitler sei nicht nur weiblich gewesen. "Mit heißer Liebe zu Ihnen" schloss ein Herr Beck aus Schlesien seine Nachricht und hoffte "auf die Errettung".

Bittbriefe erreichten Hitlers Kanzlei ebenfalls. "Arier" oder sogenannte "Halbjuden" setzten sich darin für die Rechte der Juden ein. Die Zeugen Jehovas organisierten einen Protest gegen die Repressalien, denen sie ausgesetzt waren, mit der immer gleichen Formulierung. Mit massiven Folgen: Alle Briefe wurden gesammelt, viele an die Gestapo weitergeleitet. Von den 30 000 Zeugen Jehovas wurden 10 000 verhaftet, mindestens 1200 starben in Konzentrationslagern oder unter dem Fallbeil. Protestbriefe von Geistlichen beider großer Kirchen "musste ich mit der Lupe suchen", stellt der 39-jährige Historiker fest.

Der Höhepunkt von Hitlers Popularität sei 1938 mit dem Anschluss von Österreich an das deutsche Reich erreicht worden. "Die Vereinigung fand große Zustimmung." Hunderte Gedichte zu diesem Ereignis gingen dem "Führer" zu. "Hitler ließ eine gewisse Stilisierung zum Messias zu. Ich halte diese Inszenierung für sehr gezielt", betont der Historiker. Seine unglaubliche Popularität habe Hitler für bare Münze genommen, als Zeichen, dass das Volk hinter ihm steht. "Er wusste, dass er das Volk zu einer Masse geformt hat, mit der er arbeiten kann", so die These Eberles.