Länderspiegel „Clowns sind einfach gute Kerle“

Kulmbach – Er ist wohl der berühmteste Clown der Welt: Oleg Popov (78) verzaubert sein Publikum nicht mit Wasserstrahlen oder Tortenwerfen. Er erzählt herzerwärmende Geschichten und fängt Sonnenstrahlen ein.

 
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Kulmbach – Er ist wohl der berühmteste Clown der Welt: Oleg Popov (78) verzaubert sein Publikum nicht mit Wasserstrahlen oder Tortenwerfen. Er erzählt herzerwärmende Geschichten und fängt Sonnenstrahlen ein. Seit mehr als 50 Jahren schlüpft er in die Rolle des „Ivanuschka“, des russischen „Hans im Glück“. Kommenden Donnerstag gastiert er mit dem Großen Russischen Staatszirkus in Kulmbach. Wir haben mit dem Clown über die glücklichen Zufälle im Leben und die Magie des Zirkus gesprochen.

Oleg Popov, Sie kommen gerade von einer Vorstellung?

Ja, sie ist gerade zu Ende. Wir gastieren gerade in Leipzig. Die nächste Vorstellung ist in einer Stunde. Ich muss dazwischen noch etwas essen, nicht?

Sicher. Was haben Sie denn gerade aufgeführt?

Ach, das will ich nicht erzählen. Kommen Sie doch selbst, wenn wir in Kulmbach sind und sehen Sie sich unsere Vorstellung an. Ich finde, über Zirkus redet man nicht. Es gibt schon Nummern, auch in unseren Vorstellungen, die ich besonders gerne mag, aber jede Nummer ist wie ein Kind – jede ist einfach wunderbar.

Schreiben Sie eigentlich Ihre Nummern selbst?

Ja, die meisten. Es ist ja so, dass es kaum Autoren gibt, die für Clowns gute Nummern schreiben können. In meiner Freizeit tüftele ich an neuen Reprisen. Die Requisiten bastle ich auch selbst.

Sie sind in Moskau und Paris aufgetreten, haben die größten Manegen der Welt gesehen, viele Preise erhalten – reicht Ihnen das kleine Publikum des umherziehenden Zirkus?

Natürlich. Ich mag kleine Städtchen – sie sind so gemütlich, es gibt schöne kleine Restaurants. Leipzig, wo wir jetzt gerade sind, gefällt mir nicht so gut. Hier sind die Scheiben überall zerschlagen, viele Häuser stehen leer.

Und ist das Publikum an verschiedenen Orten unterschiedlich?

Das Publikum ist überall verschieden – mit mehr oder weniger Temperament. Wir wollen natürlich das mit mehr. Wenn man in den Zirkus geht, muss man eben in dieser besonderen Stimmung sein. Denn wenn man mit der Einstellung hingeht: Unterhaltet mich mal, belustigt mich mal – da kann auch der beste Clown nichts ausrichten. Man muss die richtige Einstellung haben.

Sie belustigen seit über 50 Jahren die Menschen. Haben Sie es jemals bereut, ein Clown geworden zu sein?

Niemals. Ich habe eben das gefunden, was ich von Herzen gerne tue. Dann kann man auch schwere Zeiten leichter überstehen. Wenn man seine Berufung gefunden hat, muss man sich freuen. Ich liebe es, die freudigen Gesichter zu sehen, das Lachen zu hören.

Nun leben Sie seit 17 Jahren in Deutschland. Das kam auch zufällig. Sie wurden ja damals von Ihrem Impressario in Salzburg im Stich gelassen und haben dort Ihre Ehefrau kennengelernt.

Ja, das war schon vor 18 Jahren. Danach blieb ich mit ihr in Deutschland. Ich habe es nie bereut. Ich habe Arbeit. Gabi wollte damals in Salzburg unbedingt die Kosakenpferde sehen und bekam keinen Sitzplatz. Ich habe sie von Weitem gesehen und dachte, was sie für schöne Augen hat, und organisierte einen Stuhl für sie. Ein Jahr später waren wir verheiratet. Gabi spricht inzwischen perfekt russisch und ist auch in der Manege mein Partner.

Aber Sie sprechen immer noch kein Deutsch?

Nein. Ich kann „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“. Ich bin eben sehr viel auf Tournee. Dabei komme ich mit Amerikanern, Türken, Chinesen zusammen. Versuch’ mal, all diese Sprachen zu lernen! Dafür habe ich keine Zeit. Wir sprechen alle die Zirkussprache. Zirkus ist eben kein Theater, in dem man die Sprache verstehen muss, um dem Handlungsstrang folgen zu können.

Und wie unterhalten Sie sich mit Ihren deutschen Freunden?

Meine Freunde stammen fast alle aus Russland. Es ist auch schwierig, Freundschaften zu pflegen, wenn man so viel unterwegs ist.

Und wenn Sie mal unter Freunden sind, sind Sie dann auch für die Belustigung zuständig?

Clown sein ist meine Arbeit. Ich bin nicht immer auf Arbeit. Denn witzig sein ist ein harter Job.

Apropos Arbeit, wie sind Sie zum Zirkus gekommen?

Ach, das war ein langer Weg. Ich habe mit 14 Jahren Schlosser gelernt und hin und wieder im Moskauer Sportpalast einen Akrobatik-Kurs besucht. Dort habe ich Studenten der Zirkusakademie kennengelernt. So bin ich selbst zur Akademie gekommen, 1950 habe ich meinen Abschluss gemacht. Danach war ich Seiltänzer und Jongleur. Irgendwann habe ich in der Truppe des „Karandasch“ („Bleistift“) gearbeitet – den kennen Sie sicherlich ...

Ja, der berühmte russische Clown ...

Er war der Beste! Wie das Schicksal es eben will, wurde ein Clown krank, ich sprang ein. Aus der Küche habe ich Gabeln und Pfannen geholt und eine Parodie auf das Jonglieren improvisiert. Danach wusste ich: Ich will Clown sein.

Irgendwann haben Sie sich auch Ihr Markenzeichen – die karierte Mütze zugelegt.

Ja, ich habe ein paar Jahre ohne ein bestimmtes Kostüm gearbeitet. Dann, das war auch ein Zufall, sollte ich bei „Mosfilm“ (Moskauer Filmgesellschaft) eine Szene am Meer spielen. Schnell musste ich mir eine Kopfbedeckung suchen und in der Kostümabteilung fand ich diese Mütze. Seitdem klebt sie an meinem Kopf.

Warum lieben eigentlich Ihrer Meinung nach sowohl Kinder als auch Erwachsene den Zirkus?

Die Kinder lieben die Clowns – sie sind den Kindern nah, weil sie Luftballons verschenken, lustig sind und wie sie selbst Streiche lieben. Clowns sind einfach gute Kerle. Zirkus bringt auch Erwachsene zum Staunen und ist für alle verständlich, auch ohne Worte.

Das Gespräch führte Julia Harke

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