Oberfranken Das Leben steht still

Das erste eingeschränkte Wochenende in Bayern ist gelaufen. Die meisten Menschen hielten sich an die strengen Auflagen. Im Kreis Tirschenreuth entwickelt sich ein Hotspot neuer Corona-Infektionen.

 
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Hof/Bayreuth/Coburg - Das öffentliche Leben in der Region steht still. Die Behörden haben am ersten Wochenende, an dem die weitreichenden Ausgangsbeschränkungen im Freistaat gelten, nur wenige grobe Verstöße gegen die Regeln festgestellt. Unterdessen gewinnt die Infektionswelle offenbar an Wucht. So wird die Corona-Situation im oberpfälzischen Landkreis Tirschenreuth immer dramatischer. Nach den neuesten Statistiken des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) sind mittlerweile im Landkreis 182 Menschen mit dem Coronavirus infiziert (Stand Sonntagabend), davon alleine 71 Fälle in Mitterteich. Damit hat sich die Zahl der Infizierten im Landkreis seit Freitag verdoppelt. Bayernweit sind laut LGL (Stand Sonntagmittag) 4457 Menschen positiv auf das Virus getestet. 22 Menschen starben, allein neun davon in einer Senioreneinrichtung in Würzburg.

Bayern geht eigenen Weg

Bayern stellt sich bei der Verschärfung des Kontaktverbotes quer. Der Freistaat will das von Bund und Ländern zur Eindämmung der Corona-Krise vereinbarte Ansammlungsverbot für mehr als zwei Personen nicht übernehmen. Dies erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus der bayerischen Staatskanzlei. Im Freistaat würden weiterhin die bereits am Freitag von der Staatsregierung beschlossenen Regelungen gelten, sagte ein Regierungssprecher der dpa in München. Bund und Länder hatten sich zuvor grundsätzlich darauf verständigt, dass zur Eindämmung der Corona-Krise Ansammlungen von mehr als zwei Personen in ganz Deutschland verboten sein sollen. Ausgenommen werden Angehörige, die im eigenen Haushalt leben. In Bayern werde dies aber großzügiger ausgelegt, weil etwa auch Begleitungen älterer Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, weiter erlaubt bleiben sollen.

Diszipliniertes Verhalten

Im Landkreis Kulmbach ist die Zahl der bestätigten Covid-19-Fälle übers Wochenende von elf auf 21 angestiegen. Das berichtet das Kulmbacher Landratsamt. Die Leiterin des Gesundheitsamts informierte außerdem, dass es nun auch in der Region Kulmbach die ersten stationären Corona-Patienten gibt. Sie werden im Klinikum Kulmbach behandelt, das bereits vor Tagen für diesen Fall einen ganzen Gebäudeteil geräumt hatte, der räumlich vom Haupthaus getrennt ist. Auch in Kulmbach wird in den kommenden Tagen mit einem weiteren Anstieg der Fallzahlen gerechnet. Trotz alledem erfreulich ist es nach Angaben von Landrat Klaus Peter Söllner, dass sich die Kulmbacher am ersten Wochenende der Ausgangsbeschränkungen sehr diszipliniert verhalten haben: "Es herrscht absolute Ruhe im Landkreis", sagte Söllner im Gespräch mit unserer Zeitung.

Obwohl ein Abverkauf und die Lieferung von Speisen weiter möglich ist, herrscht bei einigen Gastronomiebetrieben in Oberfranken nackte Existenzangst. Stellvertretend dafür steht die Traditionsgaststätte Raab in Lautertal im Landkreis Coburg. Heuer wird sie 150 Jahre alt. Horst Raab führt den Betrieb bereits in fünfter Generation. Acht große Familienfeiern mit durchschnittlich 50 Gästen seien bereits abgesagt. "Jede bedeutet einen Einnahmeverlust von rund 2000 Euro." Auch die fest eingeplanten Konfirmationsfeiern hingen derzeit am seidenen Faden. Raab hat deshalb das Finanzamt angeschrieben mit der Bitte, die Vorauszahlungen für Einkommen- und Gewerbesteuer auszusetzen. Außerdem hat er 5000 Euro Soforthilfe beantragt. Seinen Humor hat der Gastwirt trotzdem nicht verloren, wie ein Blick auf die Speisekarte zeigt: Bei der Abholung von zwei Sonntagsbraten "gibt’s ’ne Rolle Klopapier gratis dazu".

Corona-Party aufgelöst

Beamte der Marktredwitzer Polizei mussten in der Nacht zum Samstag eine Corona-Party in Brand bei Marktredwitz auflösen. Eine Nachbarin hatte die Polizisten wegen Ruhestörung gerufen. Die Partygäste hatten zuvor geäußert, die öffentlichen Anordnungen interessierten sie nicht. Die Beamten beendeten die Party. Und auch in Mitterteich halten sich nicht alle an die Ausgangsbeschränkungen: So fuhren fünf Mitterteicher nach Wiesau und feierten dort eine feucht-fröhliche Grillparty. Zum krönenden Abschluss postete einer der Männer noch ein Selfie der Gruppe im Internet. Die Aktion wird die Feierwütigen teuer zu stehen kommen.

Bei Korbersdorf nahe Marktredwitz war am Sonntag um 3.10 Uhr ein 27 Jahre alter Autofahrer mit seinem Auto unterwegs. Allerdings überschlug er sich mit seinem Auto kurz nach dem Ortsausgang. Die Polizei befreite den Leichtverletzten aus dem Auto und fand auch den Grund des Unfalls heraus. Der Fahrer hatte 1,82 Promille. Außerdem hatte er keinen Grund zum Verlassen seiner Wohnung. Deswegen wird er auch wegen eines Verstoßes gegen die Ausgangsbeschränkung belangt.

Geöffnet trotz Verbots

Die Polizei zeigt sich weitgehend zufrieden mit dem Verhalten der Menschen in Stadt und Landkreis Hof. Die allermeisten hielten sich laut Pressesprecher Alexander Czech vom Präsidium Oberfranken an die Ausgangsbeschränkungen. Nur vereinzelt müssten die Beamten eingreifen, etwa bei Geschäften, die am Samstag trotz Verbots offen hatten. Unterdessen ist die Zahl der Corona-Infizierten in Stadt und Landkreis Hof bis Sonntagabend (Stand 18 Uhr) auf 57 angestiegen.

Die Beamten der Polizeiinspektion Kronach haben ein recht ruhiges Wochenende hinter sich. Was die Ausgangsbeschränkungen im Zuge der Corona-Krise angeht, sind "die Kronacher überwiegend brav" gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Demnach hätten sich bisweilen Anwohner bei der Dienststelle gemeldet und auf unangemessene private Feierlichkeiten in der Nachbarschaft hingewiesen. "Aber überall, wo wir dann hingefahren sind, waren die Menschen einsichtig", so der Polizeisprecher. Es sei stets bei mündlichen Ermahnungen geblieben, die schnell umgesetzt worden seien.

Die unterfränkische Polizei hat sich am Sonntag in einer Mitteilung zufrieden mit der Einhaltung der Ausgangsbeschränkung gezeigt. "Der Großteil der Unterfranken verhält sich verantwortungsbewusst und bleibt zu Hause, um die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen", heißt es in zwei Pressemeldungen des Polizeipräsidiums Unterfranken am Wochenende. Trotzdem war die Polizei mit einigen - teils kuriosen - Treffen beschäftigt. In der Nacht von Samstag auf Sonntag beendete sie etwa die Feier einer uneinsichtigen Hochzeitsgesellschaft, die mit 15 Personen in Ochsenfurt eine standesamtliche Vermählung gefeiert habe. In Bad Neustadt habe der Wirt eines griechischen Gasthauses heimlich Gäste im unbeleuchteten Gastraum mit Bier versorgt. Auch diese Zusammenkunft sei durch eine Polizeistreife aufgelöst worden. Den Wirt erwartet nun eine Anzeige.

Für Bayreuth meldete die Polizei keine besonderen Vorfälle, die Menschen in der Regierungsstadt hätten sich sehr diszipliniert verhalten, erklärte ein Polizeisprecher auf Anfrage.

Bayernweit stellten die Polizeikräfte bei rund 25 000 Kontrollen bis Sonntagnachmittag etwa 500 Verstöße fest: Mal feierten Jugendliche eine "Corona-Party" mit Grillgut und Alkohol. Mal hatten Sonnenstudios und Friseure unerlaubt geöffnet. Mal hatten sich neun Menschen in einer Shisha-Bar getroffen, deren Fenster von innen abgeklebt waren. Sie alle wurden angezeigt. Laut Regierung können Geldbußen von bis zu 25 000 Euro verhängt werden.

Dennoch bilanzierten die Beamten: "Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung zeigt sich einsichtig." Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte noch einmal: "Es geht jetzt darum, das öffentliche Leben so weit wie möglich zu beschränken." red

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