Berlin/Stuttgart Die schwierige Suche nach dem Impfstoff

Werner Ludwig

Im Kampf gegen das Coronavirus arbeiten weltweit mehr als 30 Unternehmen und Forschungseinrichtungen an einem Impfstoff. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema.

 
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Berlin/Stuttgart - Unternehmen und Wissenschaftler rund um den Globus suchen fieberhaft nach einem Impfstoff gegen das neuartige Coronavirus und die damit verbundene Atemwegsinfektion Covid-19. Weltweit arbeiten mehr als 30 Forschungsteams daran. Die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

? Warum sind Viren so schwer zu bekämpfen?

Anders als Bakterien verfügen Viren über keinen eigenen Stoffwechsel. Sie lassen fast alle wichtigen biochemischen Prozesse von ihren Wirtszellen erledigen. Viren bieten deshalb nur relativ wenige Angriffspunkte, an denen ein Medikament ansetzen kann. Bei vielen Viruskrankheiten sind deshalb Impfungen der vielversprechendste Ansatz, zumal sich damit verhindern lässt, dass eine Krankheit überhaupt ausbricht. Bei einer Impfung wird das körpereigene Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen das Virus angeregt.

? An welchen Impfstoffen gegen Corona wird gearbeitet?

Einige Teams arbeiten an Impfstoffen auf der Basis abgeschwächter Viren. Entscheidend sind dabei die sogenannten Hüllproteine des Virus, welche das meist aus Ribonukleinsäure (RNA) bestehende Virus-Erbgut umhüllen. Diese Eiweißmoleküle werden vom körpereigenen Immunsystem als fremd erkannt und führen zur Bildung von Antikörpern, die das entsprechende Virus im Falle einer Infektion zerstören können. Wie lange dieser Schutz hält, hängt vom jeweiligen Virus ab. Neben dieser klassischen Methode arbeiten Biotech-Unternehmen wie etwa die Tübinger Curevac AG an Impfstoffen auf Basis der sogenannten Messenger-RNA (mRNA). Mit diesem Molekül werden Teile des Bauplans für die Proteinhülle des Virus in den Körper des Geimpften transportiert, wo sie die Bildung von Virus-Hüllproteinen auslösen. Darauf reagiert das Immunsystem mit der Bildung von Antikörpern.

? Welche Probleme gibt es bei Impfungen gegen Viren?

Viele Viren, so auch das neue Coronavirus, zeichnen sich durch eine hohe Mutationsrate aus. Das heißt, dass sich ihr Erbgut relativ schnell verändert, was sich auch auf die Struktur der Eiweißhülle auswirkt. Sind die Änderungen zu stark, können die als Reaktion auf die Impfung gebildeten Antikörper das Virus nicht mehr richtig im Zaum halten. Dieses Phänomen ist etwa von der Influenza-Impfung bekannt. Weil immer wieder neue Varianten des Erregers auftauchen, muss jedes Jahr neu geimpft werden. Das könte in ähnlicher Weise bei Corona drohen, sollte sich das Virus fest etablieren. Eberhard Hildt vom Paul-Ehrlich-Institut sieht aber durchaus Chancen für eine länger anhaltende Impfwirkung. "Coronaviren haben Bereiche im Oberflächenprotein, die weitgehend unveränderlich sind. Das könnten Zielstrukturen sein, die nach einer Impfung vom Immunsystem erkannt werden", so der Wissenschaftler.

? Wie weit sind die Forscher, die weltweit nach Corona-Impfstoffen suchen?

Beinahe täglich tauchen derzeit Berichte über angebliche Durchbrüche auf. Tatsächlich sind viele Forscher schon weit vorangekommen. Hilfreich war dabei unter anderem die äußerst schnelle Analyse und Veröffentlichung der Erbinformation des Virus. Bei Curevac in Tübingen gehen die Entwickler davon aus, dass bereits im Sommer klinische Tests mit einem Corona-Impfstoff beginnen können. "Wir haben die von uns benötigte Information über den Bau eines Eiweißes aus der Virushülle übertragen und untersuchen die besten Kandidaten in einer vorklinischen Studie", sagte Curevac-Vorstand Franz-Werner Haas Anfang dieser Woche. Nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde National Institutes of Health hat in den USA erstmals ein Freiwilliger testweise einen möglichen Impfstoff eines anderen Herstellers injiziert bekommen. Allerdings werde der gesamte Prozess der Entwicklung eines Corona-Impfstoffes voraussichtlich mindestens ein bis anderthalb Jahre dauern. Der Chef des für die Zulassung zuständigen Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, rechnet hierzulande sogar erst 2022 mit einem zugelassenen Impfstoff. Hintergrund sind die klinischen Studien, die in der Regel drei Phasen umfassen. Es geht auch darum, mögliche negative Folgen einer Impfung auszuschließen. Vielfach gibt es deshalb Forderungen, diesen Prozess angesichts der akuten Corona-Krise zu beschleunigen.

? Wie schnell könnte ein Impfstoff produziert werden?

Die mRNA-Technik ermöglicht nach Einschätzung der Experten grundsätzlich eine sehr schnelle Wirkstoffproduktion. Curevac verweist auf seine bisherigen Erfahrungen mit einem Tollwut-Impfstoff. Hier reichten bereits die vorhandenen Kapazitäten für 10 Millionen Impfstoffdosen pro Durchlauf. Die geplanten Erweiterungen ermöglichten die Herstellung von bis zu einer Milliarde Tollwut-Impfdosen. Die EU will Curevac mit Krediten von bis zu 80 Millionen Euro bei der schnellen Entwicklung und Produktion eines Impfstoffs unterstützen.

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