Mit dem Urteil, das vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt wird, sühnt das Gericht zwei der grauenvollsten Verbrechen, die es je in Oberfranken gegeben hat.
8. Januar 1993: Junge Kulmbacher feiern gerne im "Keller" in der Oberen Stadt. An diesem Freitagabend ist unter ihnen auch Melanie Preuß mit ihrer Schwester und Freunden. Kurz vor Mitternacht macht sich die 16-Jährige allein auf den Heimweg. Zeugen berichten der Polizei später, ein Mann sei dem Mädchen gefolgt. Jeans, dunkle Kleidung, ein irgendwie merkwürdiger Gang. Die Zeugen hören, dass Melanie ihn auffordert, sie in Ruhe zu lassen.
Kurz vor 24 Uhr versucht der Mann, Melanie Preuß auf dem kleinen Fußweg zwischen der Bayreuther Straße und der Gabelsbergerstraße, wenige Hundert Meter von ihrem Elternhaus entfernt, zu vergewaltigen. Das Mädchen wehrt sich. Er zückt sein Butterfly-Messer. 45 Mal sticht er auf die junge Kulmbacherin ein. Dann rennt er davon, lässt Preuß sterbend in der kalten Januarnacht zurück. Eine Frau beobachtet die Flucht, doch der Täter entkommt unerkannt. Stephan Kuntze, damals 17-jähriger Schüler, der gar nicht weit vom Ort des Mordes entfernt wohnt, lebt sein Leben weiter. Er gerät nie ins Raster der Ermittler.
Ein paar Wochen später präsentiert die Kripo einen Verdächtigen. Eine einzelne Faser, die an der Kleidung des 31-Jährigen aus der Nachbarschaft gefunden wird, soll von der Jacke stammen, die Melanie am Abend ihrer Ermordung trug. In einem Indizienprozess spricht das Landgericht Bayreuth den Angeklagten frei. Die Eltern von Melanie Preuß, fest überzeugt, dass dieser Nachbar der Täter ist, ertragen die Situation nicht mehr. Sie ziehen aus Kulmbach weg. 4. August 2004: Stephan Kuntze ist inzwischen 28 Jahre alt, gelernter Krankenpfleger, wohnt in Trebgast mit seiner Frau und seiner kleinen Tochter. An diesem Sommertag bricht sich der abnorme Sexualtrieb des Mannes erneut Bahn. Unter dem Vorwand, er habe eine Geschenk-Idee für den Geburtstag der Mutter seiner Nichte Julia, vereinbart er mit der 14-Jährigen ein Treffen. Kuntze lockt das Mädchen in sein Auto, fährt mit ihr auf einen Feldweg in der Nähe und versucht, sich an der Nichte zu vergehen. Mit einem Butterfly-Messer drohend, will er sie gefügig machen. Doch das Mädchen kann sich - bereits leicht verletzt - losreißen. Kuntze setzt ihr nach und sticht sie nieder. Dann flieht er.
Bei der Durchsuchung seiner Wohnung werden Kripo-Beamte kinderpornografisches Material auf dem Computer des Täters finden. Im Prozess wird der renommierte Gutachter Professor Dr. Norbert Nedopil Kuntze eine schwere sexuelle Abartigkeit attestieren. Kuntze selbst hatte dem Sachverständigen gesagt, er sei von perversen, immer brutaler werdenden Vergewaltigungsfantasien angetrieben worden. Und er habe solche Fantasien weiterhin. Nedopil empfiehlt, den Angeklagten, den er dennoch für voll schuldfähig hält, nach dem Urteil auf unbefristete Zeit in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik unterzubringen. Das Gericht folgt seinem Rat.